Gabriel bringt Zacharias eine Botschaft
Es war eine traurige Zeit in Israel. Herodes, ein Edomiter, regierte als König in Judäa. Das Volk Gottes lebte unter fremder Herrschaft. Zudem hatte sich Gott während 400 Jahren nicht mehr direkt bezeugt. Maleachi war der letzte Prophet gewesen, den Gott als seinen Boten zu Israel gesandt hatte. Aber so, wie es zur Zeit Maleachis einige gab, die inmitten des ungläubigen Volkes den Herrn fürchteten, so finden wir es auch zu Beginn des Lukas-Evangeliums. Es gab noch eine geringe Zahl Gottesfürchtiger in Israel, die in Treue vor Gott lebten und den Messias erwarteten. Zu ihnen gehörte das alte Priesterehepaar Zacharias und Elisabeth.
Vermutlich hatten die beiden während längerer Zeit um ein Kind gebetet. Doch ihre Bitte war bis dahin nicht erhört worden. Wir können die Bestürzung und die Furcht von Zacharias verstehen, als plötzlich, während seines Priesterdienstes im Tempel, ein Engel vor ihm stand und ihm mitteilte, seine Frau würde einen Sohn bekommen. Er nannte ihm weiter den Namen des Kindes und erklärte ihm, was für eine besondere Person dieser Sohn werden würde: Johannes durfte der Vorläufer des Messias sein, auf den das Volk schon so lange wartete. Die in Vers 14 angekündigte Freude können wir gut verstehen. Wenn der Herold erschien, würde auch der Messias folgen.
Johannes sollte von Mutterleib an ein Nasir, ein Gottgeweihter sein (4. Mose 6). Sein Dienst für Gott würde darin bestehen, die Menschen und ihre Herzen für das Kommen des Messias vorzubereiten.
Zacharias ist kleingläubig
Anstatt sich über diese Nachricht zu freuen, zweifelte Zacharias an der Erfüllung der göttlichen Zusage. Ungläubig fragte er: Wie soll das gehen, da wir ein altes Ehepaar sind? Aus Vers 19 spürt man förmlich die Entrüstung des Engels über den Unglauben von Zacharias, nachdem Gabriel ihm eine so gute Nachricht überbracht hatte. Eine zeitlich begrenzte Strafe war die Antwort auf die Haltung des Priesters. – Zweifeln nicht auch wir manchmal, anstatt dem Wort Gottes einfach zu vertrauen?
Die Menschen, die lange auf den diensttuenden Priester warten mussten, merkten, dass im Tempel etwas Besonderes geschehen war. Sie wussten aber nicht was, und Zacharias konnte es ihnen nicht sagen. Als stummer Mann kehrte er nach Ablauf seiner Dienstzeit nach Hause zurück.
Und was geschah weiter? Elisabeth wurde schwanger, wie es der Engel angekündigt hatte. Die Worte von Vers 25 lassen erkennen, was für eine grosse Freude diese Gebetserhörung für sie war.
Der stumme Priester ist ein Bild des Volkes Israel heute. Die Juden haben ihren Messias im Unglauben abgelehnt und sind daher unfähig, Gott für sein Erbarmen zu loben.
Aber ist nicht jeder, der noch nicht an den Herrn Jesus als seinen Erlöser glaubt, ebenso stumm, wenn es um das Lob Gottes geht? Nur der Erlöste kann wirklich loben.
Gabriel bringt Maria eine Botschaft
Einige Monate später wurde der Engel Gabriel wieder mit einer Botschaft Gottes auf die Erde gesandt, dieses Mal zu einer jungen, gottesfürchtigen Frau. Die Jungfrau Maria, zu der Gabriel kam, war aus dem Stamm Juda und wie Joseph, ihr Verlobter, aus der Nachkommenschaft Davids.
Der Engel begrüsste sie mit der Anrede «Begnadete». Welch eine grosse, einmalige Gnade wurde dieser jungen Frau zuteil: Sie durfte die Mutter unseres Erlösers werden. Ihrer Bestürzung begegnete der Engel mit dem tröstlichen «Fürchte dich nicht!» Sie, die von Natur aus auch eine Sünderin war wie alle Menschen, hatte bei Gott Gnade gefunden. Sie war eine Gläubige, die wusste, dass auch sie einen Heiland nötig hatte (Lukas 1,47).
Dann hörte sie die herrlichste Botschaft, die je einer Frau mitgeteilt worden ist. Sie durfte die Mutter des Messias werden. Ihren Sohn sollte sie Jesus (= der Herr ist Rettung) nennen. Weil sie nicht wusste, wie dies gehen sollte, stellte sie die Frage in Vers 34. Das war nicht Unglaube wie bei Zacharias (Lukas 1,18).
Aus der Antwort des Engels wird klar, dass Jesus Christus nicht nur wahrer, sündloser Mensch (das Heilige) war. Infolge der Zeugung durch den Heiligen Geist war Er auch der Sohn Gottes. Der ewige Sohn Gottes, wie Johannes Ihn uns vorstellt (Johannes 1,1.14) wurde Mensch, blieb aber Gott. Gott und Mensch in einer Person – ein für uns unergründliches Geheimnis! – Demütig, aber voll Vertrauen sagte Maria schliesslich: «Mir geschehe nach deinem Wort.»
Maria besucht Elisabeth
Als Maria vom Engel erfahren hatte, dass Elisabeth, ihre Verwandte, ebenfalls schwanger war, machte sie sich auf den Weg zu ihr. Als sie dort ankam und Elisabeth begrüsste, zeigte Gott der Frau des Priesters auf besondere Weise, wen sie vor sich hatte: die Mutter ihres Herrn! Diese beiden im Alter so unterschiedlichen Frauen hatten die gleiche gottesfürchtige Herzenseinstellung. Voll Vertrauen freuten sie sich über das, was Gott im Begriff stand, für sein irdisches Volk und im Weiteren für alle Menschen zu tun. Ist ihre Freude, die von einem festen Glauben genährt wurde, nicht nachahmenswert?
In einem Gedicht oder Lied rühmte Maria Gott, den Herrn. Sie blieb demütig, erkannte aber die grosse Gunst und Barmherzigkeit, die Gott ihr erwies. Doch sie rühmte nicht nur die Barmherzigkeit und Gnade Gottes, sie vergass auch seine Heiligkeit nicht.
Barmherzigkeit, die in diesem Kapitel fünfmal erwähnt wird (Lukas 1,50.54.58.72.78), und Gnade werden uns in diesem Evangelium auf jeder Seite begegnen, aber nie auf Kosten der Heiligkeit. Das Leben Jesu in Gnade gegenüber den Menschen trägt die Überschrift: «Ausgenommen die Sünde» (Hebräer 4,15).
Nachdem diese beiden frommen Frauen einander im Glauben gestärkt hatten, trennten sie sich wieder, damit jede ihre Aufgabe an dem Platz erfüllen konnte, wo Gott sie haben wollte.
Johannes wird geboren
Dann kam für Elisabeth der Zeitpunkt der Geburt. Sie gebar einen Sohn, wie der Engel es ihrem Mann vorausgesagt hatte. Alle Nachbarn und Verwandten freuten sich mit Elisabeth und rühmten die Barmherzigkeit des Herrn, die Er diesem alten, treuen Ehepaar erwiesen hatte.
Es scheint, dass man in jener Zeit im Zusammenhang mit der Beschneidung, die nach dem Gesetz am achten Tag nach der Geburt zu erfolgen hatte, dem Neugeborenen den Namen gab (Vers 59; Lukas 2,21; 3. Mose 12,3). Dabei war es gebräuchlich, dass der Sohn den Namen des Vaters bekam. Doch hier lag die Sache anders. Der Engel hatte Zacharias klar gesagt: «Du sollst seinen Namen Johannes (= der Herr ist gütig) nennen (Lukas 1,13). Das wusste auch Elisabeth, und sie verlangte es so. Doch die Verwandten waren nicht einverstanden. Als der stumme Vater Zacharias die Sache schriftlich bestätigte: Johannes ist sein Name, wurde seine Zunge gelöst. Die zeitlich begrenzte Züchtigung Gottes war vorüber.
Nun konnte er mit Worten den Willen Gottes bekräftigen. Aber dann öffnete er seinen monatelang stummen Mund zum Lob Gottes. Aus dem zweifelnden Priester war ein Anbeter geworden, der Gott lobte.
Das alles blieb nicht ohne Wirkung auf die Menschen, die davon hörten. Herzen wurden aufgerüttelt. Sie merkten, dass Gott am Werk war. So klein wie Johannes war – erst ein neugeborenes Baby –, so heisst es doch: «Die Hand des Herrn war mit ihm.» Wirklich, ein aussergewöhnliches Kind!
Zacharias lobt Gott
Nachdem die zeitliche Züchtigung Zacharias vorüber war, konnte Gott ihn als Werkzeug für eine prophetische Aussage benutzen. Dazu wurde er mit Heiligem Geist erfüllt. Mit seinen Worten lobte er Gott, der im Begriff stand, seinem irdischen Volk die früher gemachten Verheissungen über den Messias wahr zu machen.
Das Kommen von Christus (= Messias) beinhaltete Erlösung, Heil und Rettung für Israel. Dass dies aber nur durch den Kreuzestod des Heilands möglich wurde, wird hier nicht erwähnt. Warum wohl nicht? Weil der Tod des Herrn Jesus auch eine Folge der Ablehnung, des Hasses und der Verwerfung durch sein Volk war, und dies zeigte sich erst im Lauf seines Lebens.
Was Zacharias unter der Leitung des Geistes Gottes prophezeite, wird sich aber vollständig erfüllen. Rettung von ihren Feinden erlebten die Juden damals nicht. Aber sie werden es in der Endzeit erfahren. Die Erkenntnis des Heils in Vergebung ihrer Sünden blieb auf eine kleine Anzahl aus dem Volk beschränkt: nur die, die an den Herrn Jesus glaubten. Am Anfang der Apostelgeschichte ist von 120 Personen die Rede. Das Volk als Ganzes war nicht bereit, den Sohn des Höchsten zu empfangen. Sie merkten nicht, wie sehr sie in Finsternis und Todesschatten sassen und dieses Licht aus der Höhe so nötig gehabt hätten.
Johannes wurde ein Prophet des Höchsten. Die Zeit bis zu seinem öffentlichen Auftreten verbrachte er in den Wüsteneien. Als Nasir lebte er abgesondert von allen, erstarkte aber im Geist.
Jesus wird geboren
Ein halbes Jahr nach der Geburt von Johannes wurde der Heiland geboren. Die Anfangsverse zeigen uns etwas vom Wirken Gottes, der im Verborgenen alle Fäden in seiner Hand hält – für jeden Glaubenden ein überaus tröstlicher Gedanke!
Der Prophet Micha hatte vorausgesagt, dass der Messias in Bethlehem geboren werden sollte. Aber Maria lebte mit Joseph, ihrem Verlobten, in Galiläa. Nun lenkte allmächtige Gott die Weltereignisse so, dass der römische Kaiser eine Verordnung erliess, die von jedem seiner Untertanen verlangte, sich in seiner Herkunftsstadt einschreiben zu lassen (vermutlich in ein Steuerregister oder in eine ähnliche Liste). Diese äusseren Umstände zwangen Joseph mit seiner verlobten Frau, die schwanger war, nach Bethlehem zu reisen. Als sie dort waren, kam der Geburtstermin. Der Geist Gottes beschreibt die Geburt unseres Herrn Jesus Christus mit einfachen Worten. Für die damalige Welt war dieses Ereignis nichts Besonderes, eher etwas Nebensächliches. Aber für Gott war «die Fülle der Zeit» gekommen, in der sein Sohn als Mensch von einer Frau geboren wurde (Galater 4,4).
Im Weiteren unterstreicht der Heilige Geist die Armut der Eltern Jesu. Sie fanden keinen Raum in der Herberge. Kein Platz für so arme Leute! Nun musste Maria ihren erstgeborenen Sohn irgendwo in einem Tierunterstand zur Welt bringen. Da lag der Schöpfer und Erhalter des Universums in Windeln gewickelt in einer Krippe! Wie arm ist Er, der doch unendlich reich war, für uns geworden (2. Korinther 8,9)!
Die Engel bei den Hirten
Wem teilte Gott zuerst mit, dass sein Sohn als Mensch in diese Welt hineingeboren worden war? Einfachen Hirten, die in jener Nacht auf freiem Feld über ihre Herden Wache hielten! Bestimmt gehörten sie zu den wenigen Gottesfürchtigen in Israel, die bewusst auf den Messias warteten.
Aber als der Engel des Herrn zu ihnen trat und die Herrlichkeit des Herrn sie umleuchtete, da fürchteten sie sich doch mit grosser Furcht. Doch der Engel hatte eine frohe Botschaft für sie, die sich ihres Zustands vor Gott bewusst waren. Christus, der Heiland, der Erretter und Helfer, war geboren. Darum brauchten sie sich nicht zu fürchten. Sie durften Ihn im Glauben annehmen.
Die Menge des himmlischen Heeres, die plötzlich bei dem Engel erschien, rühmte die Folgen des Kommens von Christus in diese Welt. Durch Ihn sollte Gott verherrlicht werden und schliesslich Frieden auf der Erde herrschen. Doch dazu musste Jesus Christus am Kreuz sterben (Kolosser 1,19.20). Nur auf der Grundlage dieses Opfers können sündige Menschen mit Gott versöhnt werden, und nur auf dieser Basis wird Christus sein Friedensreich errichten können.
Die Hirten sehen das Kind in der Krippe
Die Hirten glaubten dem Wort des Engels, machten sich auf den Weg und fanden alles bestätigt. Doch sie behielten die Sache nicht für sich. Mit glücklichen, dankbaren Herzen lobten sie Gott und erzählten weiter, was sie vom Heiland wussten.
Acht Tage nach der Geburt wurde der Sohn der Maria beschnitten, wie es das Gesetz vorschrieb. «Da wurde sein Name Jesus genannt.» Jesus: ein Name, der das Herz jedes Glaubenden froh macht! Was bedeutet er für dich?
In Vers 22 geht es um die Reinigung der Maria, wie dies in 3. Mose 12 vorgeschrieben war. Doch Maria und Joseph konnten kein Lamm aufbringen. So brachten sie das dar, was Gott im Gesetz für die Armen vorgesehen hatte: zwei Tauben (3. Mose 12,8). Unser Heiland war ein Kind armer Eltern!
Simeon und Anna
Um alles zu erfüllen, was das Gesetz verlangte, mussten Maria und Joseph mit ihrem einige Wochen alten Kind in den Tempel nach Jerusalem gehen. Dort wartete ein alter gottesfürchtiger Mann auf den Trost Israels. Gott hatte ihm durch den Heiligen Geist bezeugt, dass er vor seinem Tod den verheissenen Christus sehen würde. Welch eine Freude muss es für Simeon bedeutet haben, dieses Kind auf die Arme nehmen zu dürfen! Doch er wusste, dass sich die Menschen an dieser Person scheiden würden: Die einen glauben an Ihn, die andern – leider sehr viele – verwerfen Ihn.
In Jerusalem gab es noch andere Herzen, die vom verheissenen Erlöser erfüllt waren. Zu ihnen gehörte die Prophetin Anna, eine alte Witwe. Der Tempel war sozusagen ihr Wohnort geworden. Auch sie durfte Dem begegnen, auf den sie wartete. Dafür lobte sie Gott für seine Gnade. Dann aber redete sie von Ihm zu all denen, die wie sie zu den Wartenden gehörten.
Jesus als Zwölfjähriger im Tempel
Seine Kindheit verbrachte Jesus in Nazareth. Der Geist Gottes bezeichnet diesen Ort als «ihre Stadt», d. h. die Stadt Josephs und Marias. Von dort reiste dieses gottesfürchtige Ehepaar alljährlich zum Passahfest nach Jerusalem. Als ihr erstgeborener Sohn zwölf Jahre alt war, nahmen sie Ihn mit.
Nach dem Fest kehrten die Eltern zusammen mit vielen anderen nach Galiläa zurück und merkten nicht, dass ihr Junge in Jerusalem geblieben war. Am Abend des ersten Reisetages suchten sie Ihn erfolglos unter den Verwandten und Bekannten. Wo war Er? Nach dreitägigem Suchen in Jerusalem fanden sie Ihn, «wie er inmitten der Lehrer sass und ihnen zuhörte und sie befragte».
Welch ein schönes Bild: Jesus Christus – die Hauptperson – aber noch ein Junge, der demütig zuhörte und mit Interesse Fragen stellte! Der nächste Vers zeigt, wer Er wirklich war: der Gott seines Wortes. Als solcher war Er allen Lehrern überlegen (Psalm 119,99.100).
Die Worte Marias beweisen, dass sie noch nicht wirklich erkannt hatte, wer ihr Sohn war – der Sohn Gottes, der im Haus seines Vaters sein wollte, ja, sein musste, denn Er war gekommen, um Gottes Wohlgefallen zu tun (Psalm 40,8.9).
Doch wie schön sind die Schlussverse! Obwohl Er der Sohn Gottes war, blieb Er der unterwürfige Mensch, der sich in seinem jungen Alter seinen menschlichen Eltern unterordnete. Zudem erkennen wir, wie Er als Mensch ein ganz normales Wachstum aufwies. Er war in jeder Hinsicht der Mensch nach Gottes Gedanken.
Johannes ruft zur Buße auf
Die Verse 1 und 2 illustrieren den traurigen äusseren und inneren Zustand des irdischen Volkes Gottes. Das Land Israel war nicht frei, sondern in verschiedene Herrschaftsgebiete aufgeteilt. Regenten aus den Nationen bestimmten über die Juden. Über allem stand der römische Kaiser. Auch um das von Gott eingesetzte Priestertum stand es nicht gut. Es gab zwei Hohepriester statt nur einen!
Unter diesen Umständen sandte Gott den letzten Propheten des Alten Bundes zu seinem Volk. Dieser rief die Menschen nicht zum Gehorsam gegenüber den Geboten Gottes auf – das war der Dienst seiner Vorgänger gewesen –, sondern zur Buße. Buße ist eine tiefgehende Herzenssache, die zum Bekennen der Sünden und zur Vergebung (Markus 1,5), aber auch zu einer Umkehr im Leben führt. Die Predigt von Johannes hatte zum Ziel, die Herzen für das Kommen des Messias bereit zu machen.
Johannes musste seinen Zuhörern ernst ins Gewissen reden, denn viele dachten, ihre Abstammung von Abraham genüge vor Gott. Nein, die äussere Zugehörigkeit zum Volk Gottes genügte nicht. Mit dieser Einstellung gingen sie dem Gericht entgegen (Vers 9).
Auf die Fragen der Menschen erklärte ihnen Johannes, wie sich echte Buße zeigt. Durch die der Buße würdige Frucht sollte die Umkehr sichtbar werden. Wer mehr besass als andere, sollte den Armen helfen. Die Zöllner sollten nicht mehr fordern, als festgesetzt war. Und die Söldner sollten sich mit ihrem Sold begnügen und sich nicht gewaltsam bereichern.
Johannes kündigt Christus an
Wenn Johanns der Täufer in seiner Predigt Jesaja 40,3-5 zitierte, sprach er auch vom Kommen des Messias (Vers 6). Wir können daher die Überlegungen seiner Zuhörer verstehen, wenn sie sich fragten, ob er wohl der Christus sei. Der Prophet verneinte diesen Gedanken klar und zeigte dann, wie viel grösser und stärker der nach ihm Kommende war. Verglichen mit Jesus Christus war Johannes nicht einmal wert, Ihm den geringsten Sklavendienst zu tun (Vers 16). Welch eine demütige Gesinnung offenbarte dieser Mann!
Vom Messias, der nach ihm kommen würde, sagte er: Er wird euch mit Heiligem Geist und mit Feuer taufen. Die Taufe mit Heiligem Geist war die Folge der Rückkehr des Herrn Jesus in den Himmel und geschah damals zu Pfingsten (Apostelgeschichte 2). Die Taufe mit Feuer spricht von Gericht, wie Vers 17 deutlich macht. Sie findet statt, wenn Christus zum zweiten Mal auf die Erde kommt, dann nicht mehr in Niedrigkeit, sondern in Macht und Herrlichkeit.
Die Verse 18-20 behandeln das Ende des Dienstes von Johannes. Sie geben auch die Gründe an, warum Herodes ihn ins Gefängnis einschloss und später enthaupten liess (Markus 6,17-29). Er hatte den gottlosen König wegen der unrechtmässigen Heirat der Frau seines Bruders und wegen alles Bösen zurechtgewiesen. Das Ende des Dienstes des Vorläufers des Messias wird hier vorweggenommen, weil mit dem nächsten Vers der Dienst des Herrn Jesus beginnt. Dieser war ein Dienst der Gnade.
Jesus wird getauft
Unter den vielen Menschen, die zu Johannes kamen, um Buße zu tun und sich taufen zu lassen, war auch Jesus. Als sündloser Mensch hatte Er nicht nötig, Buße zu tun. Doch in seiner Gnade stellte Er sich neben seine Landsleute, die die Taufe zur Buße brauchten. Da öffnete Gott den Himmel über Ihm. Mit einer für Menschen verständlichen Stimme bezeugte Er, dass dieser demütige Mensch, der durch das Gebet seine Abhängigkeit von Ihm ausdrückte, sein geliebter Sohn war. An Ihm fand Er sein Wohlgefallen. In der Ewigkeit hatte Gott, der Vater, seine Wonne am Sohn seiner Liebe. Nun ruhte sein Wohlgefallen auch auf dem Sohn des Menschen, der gekommen war, um Gottes ewige Ratschlüsse auszuführen.
Bei der Taufe Jesu geschah noch etwas anderes: Der Heilige Geist fuhr in leiblicher Gestalt wie eine Taube auf Ihn hernieder. Dadurch wurde Er für seinen öffentlichen Dienst gesalbt, den Er unter der Leitung und in der Kraft dieses Geistes ausübte (Lukas 4,1; Apostelgeschichte 10,38).
Warum steht das Geschlechtsregister in diesem Evangelium am Anfang seines öffentlichen Dienstes und nicht am Anfang seines Erdenlebens? Hier geht es nicht um den Beweis, dass der Herr Jesus in Wahrheit der Messias ist, sondern dass Der, den Gott soeben als seinen Sohn bekannte, wahrer Mensch ist. Es ist eigentlich das Geschlechtsregister der Maria. Er war, «wie man meinte», ein Sohn Josephs. In Wahrheit war Er Mensch, nicht aufgrund seiner Beziehung zu Joseph, sondern zu Maria.
Jesus in der Wüste
Bevor der Herr Jesus öffentlich auftrat (Lukas 4,14.15), führte Ihn der Geist in die Wüste, wo Er vom Teufel versucht wurde. Diese Zeit der Erprobung oder Versuchung dauerte 40 Tage und brachte seine Vollkommenheit auf besondere Weise zum Vorschein.
Zunächst müssen wir festhalten, dass unser Heiland nicht versucht wurde, um zu sehen, ob Er standhaft bleiben würde. Er konnte nicht sündigen. Diese Zeit erbrachte vielmehr den Beweis, dass der Teufel bei Ihm keinen Anknüpfungspunkt finden konnte (Johannes 14,30). Vergleichen wir den Herrn mit Adam, dem ersten Menschen, dann sehen wir einen grossen Unterschied. Adam lebte unter den günstigsten Umständen. Als er von Satan versucht wurde, fiel er. Jesus, der zweite Mensch vom Himmel, blieb unter den schwierigsten Umständen (Wüste, Hunger) siegreich.
Der Teufel versuchte den Herrn durch natürliches Verlangen, durch weltliche Begierden und durch geistliche Versuchungen zu Fall zu bringen. Doch der von Gott abhängige Mensch liess sich in keine Diskussion mit dem Teufel ein. Seine Antworten stützten sich immer auf das geschriebene Wort Gottes. Da wich der Teufel für eine Zeit von Ihm. In Gethsemane war er wieder da, um den Heiland durch die Schrecken des Kreuzestodes, die vor seiner Seele standen, vom Weg des Gehorsams und der Hingabe an Gott abzubringen (Lukas 22,40-46). Doch der Herr blieb Sieger, sowohl in Gethsemane als auch am Kreuz (Hebräer 2,14.15).
In der Synagoge von Nazareth
Der Herr Jesus begann seinen öffentlichen Dienst in Galiläa, indem Er in den Synagogen lehrte. Dabei kam Er auch nach Nazareth, wo Er auferzogen worden war und wo Ihn daher alle gut kannten. Er las eine Stelle aus dem Propheten Jesaja vor (Jesaja 61,1.2), hielt aber mitten im Satz inne. In Jesaja 61 werden das Jahr des Wohlgefallens des Herrn und der Tag der Rache unseres Gottes zusammen genannt. Jesus sprach aber nur vom angenehmen Jahr des Herrn. Das war die Zeit damals. Er, von dem diese Jesajastelle redet, war gekommen, um seinem Volk die Gnade zu bringen.
Obwohl sie sich über seine Worte der Gnade verwunderten, regte sich Widerstand. War dieser nicht der Sohn von Joseph, den sie alle kannten? Er konnte doch nicht der Messias sein! Die Wunder, die Er an anderen Orten gewirkt hatte, hätten sie angenommen, wenn Er sie auch in Nazareth getan hätte. Aber als Messias lehnten sie Ihn ab.
Der Herr Jesus war nicht der erste Prophet, der von seinen nächsten Landsleuten abgelehnt wurde. Aber diese Ablehnung im Unglauben würde dazu führen, dass Gott seine Gnade anderen zukommen liess.
Beispiele aus dem Alten Testament zeigten, dass dies mehr als einmal der Fall war. Doch das wollten die Leute von Nazareth nicht hören. Ihre Wut gegen Ihn steigerte sich so weit, dass sie Ihn vom Berg hinunter zu Tode gestossen hätten, wenn es ihnen gelungen wäre. Aber die Stunde seines Todes war noch nicht gekommen.
In Vollmacht lehren und wirken
Auch in Kapernaum, einer Stadt am See Genezareth, lehrte Er an den Sabbaten. Er sprach anders als die Schriftgelehrten. Das merkten seine Zuhörer bald. Sein Wort predigte Er mit Vollmacht. Wie hätte es anders sein können, wenn Gott selbst, in der Person seines Sohnes, der Mensch geworden war, sein Wort verkündigte?
In der Synagoge war ein Mensch, der einen Geist eines unreinen Dämons hatte. Vermutlich hatte er sich bis dahin ruhig verhalten. Aber als der Herr Jesus in die Synagoge kam, regte sich der Dämon. Er wusste, dass der Sohn Gottes den bösen Geistern befehlen konnte und sie gehorchen mussten. Er konnte sie sogar verderben. Wenn die Menschen den demütigen Mann aus Nazareth verkannten, die Dämonen wussten ganz genau, mit wem sie es zu tun hatten.
Mit der gleichen göttlichen Vollmacht, mit der Jesus Christus das Wort verkündigte, gebot Er dem bösen Geist zu schweigen und von dem Menschen auszufahren. Der Dämon musste gehorchen. Erschreckt fragten die Anwesenden: «Was ist dies für ein Wort? Denn mit Vollmacht und Kraft gebietet er den unreinen Geistern, und sie fahren aus.»
Die Menschen waren erstaunt und beeindruckt. Sie erzählten das Erlebte weiter. Aber glaubten sie auch an Ihn? Erkannten sie die Person, die unter ihnen lebte und wirkte? Es war ihr Messias (= Christus), Gott, der Sohn, als wahrer, vollkommener Mensch.
Der Herr heilt Kranke
Von der Synagoge kam der Herr Jesus in das Haus von Simon. Dieser Mann hatte Christus bereits kennengelernt (Johannes 1,41.42). Damals hatte der Heiland ihm einen zweiten Namen gegeben: Kephas oder Petrus. Der Herr hatte ihn auch schon in seine Nachfolge gerufen, wie wir dies aus Markus 1,16.17 erkennen können. Nun war der Heiland zu Gast im Haus von Petrus, dessen Schwiegermutter aber von einem starken Fieber befallen war. Auf die Bitte der Anwesenden heilte Er sie. – Die fieberkranke Frau gibt uns das Bild eines unbekehrten Menschen. Er hat keinen Frieden, ist beunruhigt durch sein belastetes Gewissen. Ruhelos lebt er in einer Welt voll Unruhe, Hast und Eile. Nur Einer kann ihm Ruhe und Frieden geben: der Heiland, der für sündige Menschen am Kreuz gestorben ist. Und was ist die Folge, wenn jemand Frieden und Ruhe beim Herrn Jesus gefunden hat? Er darf Ihm dienen (Vers 39).
Das Elend im Volk Gottes war gross. Es gab nicht nur viele Kranke; manche waren auch in den Bann Satans geraten und von Dämonen besessen. Aber Christus, der Sohn Gottes, heilte in seiner Gnade alle, die zu Ihm gebracht wurden.
Als wahrer, abhängiger Mensch brauchte auch der Herr Jesus das Alleinsein mit Gott. Daher suchte Er einen öden Ort auf. Doch die Menschen liessen Ihn nicht in Ruhe. Sie wollten Ihn bei sich behalten. Er aber war für das ganze Volk gekommen. Darum zog Er weiter.
Ein wunderbarer Fischfang
Viele Menschen drängten sich um den Herrn Jesus, um seine Worte zu hören. Um von allen besser gehört zu werden, bat Er Simon (Petrus), Ihn mit seinem Schiff ein wenig hinauszufahren. Von hier aus lehrte Er dann die am Ufer stehende Menge.
Warum war der Herr gerade in das Schiff von Petrus gestiegen? Er wollte auch sein Herz erreichen. Wäre Simon weiter mit seinen Netzen beschäftigt geblieben, hätte er wohl nicht so aufmerksam zugehört, wie jetzt, wo er untätig beim Herrn im Schiff sass.
Der Herr verlangt von den Seinen nichts, ohne es in reichem Mass zu erstatten. Das sehen wir auch hier. Für die Zeit und das Schiff, die Petrus dem Herrn zur Verfügung stellte, wurde er reich entschädigt. Dabei lernte er sowohl seinen Herrn und Meister als auch sich selbst besser kennen.
Der wunderbare Fischfang zeigte Petrus, dass Der, den er Meister nannte, auch Herr über die Fische, also Gott, der Schöpfer, ist. Doch im gleichen Moment erkannte Petrus sich auch im Licht Gottes. Ihm wurde seine ganze Sündhaftigkeit bewusst. Da dachte er: Wir zwei – der Heilige Gottes und ich –, wir passen nicht zusammen. Doch wie wunderbar lautet die Antwort des Herrn: «Fürchte dich nicht!» Das konnte Er Petrus sagen, weil Er an seinen eigenen Tod am Kreuz dachte. Dann würde Er nicht nur für die Sünden von Petrus, sondern auch für dessen sündige Natur sterben. Als Glaubender, der dem Wort des Herrn vertraute, konnte Petrus nun ein Menschenfischer werden.
Heilung des Aussätzigen und des Gelähmten
Der Aussätzige, der vor Jesus auf sein Angesicht fiel, glaubte, dass der Herr ihn heilen könne, aber er wusste nicht, ob die Gnade sich auch ihm zuwenden würde. Er wurde in seinem Vertrauen nicht enttäuscht.
Dadurch, dass er die Reinigungsvorschriften eines geheilten Aussätzigen erfüllte, musste der Priester erkennen, dass Gott unter ihnen war, denn der Aussatz war aus der Sicht der Menschen unheilbar.
Wenn die Gnade sich bei der Heilung des Aussätzigen in ihrer reinigenden Wirkung zeigte, so sehen wir bei dem Gelähmten, wie die Gnade vergibt. Das war die Antwort des Herrn Jesus auf die grossen Bemühungen des Glaubens dieser vier Männer. Trotz der Hindernisse brachten sie ihren kranken Freund, der ebenfalls glaubte, vor Ihn.
Nicht alle hörten dem Herrn Jesus aufrichtig zu. Pharisäer und Gesetzeslehrer waren mit kritischer Einstellung aus Jerusalem gekommen, um zu hören, was dieser unbekannte Lehrer zu sagen hatte. Als Er von Sündenvergebung sprach, fragten sie sofort: «Wer kann Sünden vergeben, ausser Gott allein?» Darin hatten sie recht. Aber als der Herr Jesus ihnen durch die Heilung des Gelähmten bewies, dass Er Gott, der Herr, war, wie Ihn Psalm 103,3 beschreibt, wollten sie nicht an Ihn glauben. Der Geheilte aber hatte nicht nur die Vergebung seiner Sünden empfangen, sondern auch die Kraft, um aufzustehen und nach Hause zu gehen. Diese wunderbare Entfaltung der Gnade führte zur Verherrlichung Gottes durch den Geheilten und all jene, die das Ganze mit Staunen verfolgt hatten.
Gnade kontra Gesetz
In der nächsten Begebenheit sehen wir, wie der Herr Jesus in seiner Gnade zum Anziehungspunkt für Levi wurde. Die Aufforderung: «Folge mir nach!», beantwortete der Zöllner sofort, indem er alles verliess, aufstand und dem Herrn nachfolgte.
«Alles verlassen» heisst hier nicht, dass er nicht mehr in sein Haus zurückkehrte. Es bedeutet, dass Levi nun alles, was er war und besass, seinem Herrn und Meister zur Verfügung stellte. In diesem Sinn gehörte es nicht mehr ihm. Er hatte es verlassen.
Dass er seinen Besitz in den Dienst Jesu stellte, sehen wir aus Vers 29. Levi nahm die Gelegenheit wahr, ein grosses Mahl zu machen und viele Kollegen und andere einzuladen, damit auch sie den Herrn Jesus kennenlernten. Wieder regte sich der Widerstand der religiösen Führer der Juden, die den Jüngern Jesu vorwarfen, mit Sündern zu essen. Wie schön ist die Antwort des Herrn! Er war für die gekommen, die wussten, dass sie einen Heiland brauchten. Die Selbstgerechten standen sich selbst im Weg.
Der Schluss des Kapitels zeigt, dass die Zeitperiode des Gesetzes ihrem Ende zuging und etwas Neues begann: die Zeit der Gnade. Gesetz, das vom Menschen nur fordert, und Gnade, die unverdientermassen gibt, sind unvereinbar. Das wollte der Herr mit den Illustrationen in den Versen 36-38 deutlich machen.
Warum wird der alte Wein (das Gesetz) von vielen vorgezogen? Weil das Gesetz vom natürlichen Menschen etwas fordert und er sich lieber bemühen will, als zuzugeben, dass er Gott nicht gefallen kann.
Die Sabbatfrage
Als die Jünger am Sabbat Ähren abpflückten und die Körner im Gehen assen, betrachteten die streng religiösen Leute dies als Übertretung des Sabbatgebots. Der Herr musste ihnen klarmachen, dass es nicht um das peinlich genaue Einhalten unbiblischer Sabbatgebote ging, sondern um die Anerkennung des Sohnes des Menschen. Er, der vor ihnen stand, war auch Herr des Sabbats. Doch sie verwarfen Ihn, von dem David ein schwaches Vorausbild war. Obwohl dieser zum König über Israel gesalbt war, wurde er verworfen und verfolgt.
Ein weiteres Mal suchten die Feinde Jesu eine Anschuldigung gegen Ihn, als sie Ihn am Sabbat in der Synagoge belauerten. Jesus Christus, der wirklicher Mensch geworden ist, hat seine Gottheit nie aufgegeben. Das ist das Geheimnis seiner Person: Gott und Mensch in einer Person. Deshalb kannte Er auch die Überlegungen der Schriftgelehrten und Pharisäer.
Er forderte den Mann auf, den die Feinde als Testobjekt betrachteten, in die Mitte zu treten. Dann fragte Er sie, ob es erlaubt sei, am Sabbat Gutes oder Böses zu tun. Keine Antwort, obwohl Er sie alle anschaute! Da heilte Er den Mann mit der verdorrten Hand.
Welche Wirkung hatte diese Heilung auf die Anwesenden? «Sie aber wurden mit Unverstand erfüllt und besprachen sich untereinander, was sie Jesus tun sollten.» Miteinander gegen Ihn! Und das alles, weil Gott in einer Welt, die durch die Sünde des Menschen und die Listen Satans ruiniert war, Gutes tun wollte!
Berufung der Apostel
Als Mensch stand der Herr hier vor einer grossen Aufgabe: die Berufung seiner zwölf Jünger, die Er auch Apostel nannte. Seine Abhängigkeit von Gott und seine Unterordnung unter dessen Willen kommt hier sehr schön zum Ausdruck: «Er verharrte die Nacht im Gebet.»
Am andern Tag rief Er dann die Zwölf herzu, die seine Apostel werden sollten. Der letzte Name erstaunt uns vielleicht: Judas Iskariot, der auch sein Verräter wurde. Hatte der Herr bei der Berufung von Judas einen Fehler gemacht? Nein, unmöglich! Als Mensch beging Er nach einer Nacht des Gebets keinen Fehler, und als Gott wusste Er, wer Judas war. Doch Er gab ihm eine einmalige Chance. Die ganze Zeit des Dienstes des Heilands durfte dieser Mann in seiner Nähe sein und alles direkt miterleben. Leider verharrte Judas im Unglauben.
Als der Herr vom Berg herunterkam, war Er sogleich wieder der Mittelpunkt des Interesses von vielen. Sogar aus dem Ausland waren die Menschen mit ihren Bedürfnissen nach Körper und Seele zu Ihm gekommen. Keiner wurde enttäuscht. Er heilte alle.
Aber diesen zentralen Platz unter den Menschen gönnten Ihm die Obersten des Volkes nicht. In ihrer Eifersucht versuchten sie Ihn zu beseitigen. Auch heute will man dem Herrn Jesus nicht den Platz geben, der Ihm zusteht. Aber welchen Platz geben wir Ihm in unserem persönlichen Leben? Hat Er da wirklich den ersten und zentralen Platz?
Die Feinde lieben
Die Belehrungen des Herrn Jesus in diesem Abschnitt richten sich ausdrücklich an seine Jünger, nicht nur an die Zwölf, sondern an alle Glaubenden, die Ihm nachfolgen wollen. Vergleicht man diese Verse mit den ähnlich lautenden Aussagen in der Bergpredigt (Matthäus 5 – 7), fällt auf, dass sie hier viel direkter sind. Der Herr spricht im Lukas-Evangelium seine Zuhörer persönlich an. Im Weiteren werden hier nicht Juden, Zöllner und Nationen unterschieden. Es geht einfach um Menschen, um Sünder. Wir dürfen diese Verse direkt auf uns anwenden. Möchten wir sie beherzigen und ausleben!
Als Glaubende, die den Fussstapfen unseres Herrn nachfolgen wollen, sollen wir uns nicht wie die Allgemeinheit verhalten. Sie möchte für ihr Gutestun entschädigt werden. Wir sollen etwas von der empfangenen Gnade ausleben. Alles, was wir von Gott bekommen haben, war unverdient. Und so sollen wir barmherzig sein, «wie auch unser Vater barmherzig ist» und sogar unsere Feinde lieben. Auf diese Weise zeigen wir, zu welcher Familie wir gehören. Unser Verhalten wird uns als Söhne des Höchsten kennzeichnen.
Es wird nicht immer leicht sein, die Gnade in dieser Weise auszuleben, d. h. zu lieben, Gutes zu tun, zu leihen, nicht zu richten, nicht zu verurteilen, loszulassen, zu geben. Doch der Gott aller Gnade will uns dafür reich belohnen, d. h. ein gutes, gedrücktes, gerütteltes und überlaufendes Mass geben. Was wollen wir noch mehr?
Demut und Gehorsam
Die Grundsätze, die der Herr Jesus in diesen Versen vorstellt, gelten auch für die Zeit, in der wir leben, und für uns persönlich. Gibt es in der Christenheit nicht manche Menschen, die anderen auf religiösem oder seelsorgerlichem Gebiet helfen wollen, ohne dass sie eine persönliche Glaubensbeziehung zum Herrn Jesus haben? (Vers 39).
Wir alle neigen dazu, die Fehler beim anderen zu sehen. Bei uns aber übersehen wir sie. Und wenn wir zugeben, dass auch wir Fehler machen, sehen wir sie dann wirklich als Balken gegenüber dem Splitter im Auge des Nächsten? Ohne ernstes Selbstgericht werden wir dem Bruder nicht helfen können.
Die Äusserungen im Leben zeigen, wie es in unserem Inneren aussieht. Aus unseren Taten (Früchte) und Worten können die Menschen auf unseren Herzenszustand schliessen. Der «gute» Mensch ist einer, der an den Herrn Jesus als seinen Heiland glaubt. Erkennen die Menschen, dass wir Dem gehorchen wollen, der für uns gestorben ist und den wir als unseren Erlöser, aber auch als unseren Herrn bekennen?
Das Hören erfolgt meistens ohne grosse Anstrengung; aber das Tun verlangt einiges an Energie. Der Mann, der sein Haus auf die Erde baute, ohne Grundlage, wählte den Weg des geringsten Aufwandes. Sein Haus hielt den Fluten nicht stand. Wie viel geistliche Energie wenden wir auf, um das, was wir aus der Bibel gelernt haben, auch zu tun? Lasst uns unser Lebenshaus auf Felsengrund bauen!
Der Hauptmann und sein Knecht
Der Hauptmann, dessen Sklave so schwer krank war und im Sterben lag, war ein römischer Offizier, also kein Jude von Geburt. Aber er glaubte an den Gott Israels, denn er hatte den Juden eine Synagoge erbaut. Und er setzte sein Vertrauen auf Den, der von Gott gekommen war und als wahrer Mensch hier lebte und die Gnade Gottes offenbarte.
Aber welch eine Demut zeigte er! Er fand sich nicht würdig genug, selbst zum Heiland zu gehen. So sandte er zunächst Älteste der Juden zu Ihm mit der Bitte, seinen Knecht gesund zu machen. Als der Herr unterwegs zu seinem Haus war, sandte er Freunde zu Ihm, um Ihm sagen zu lassen, er sei nicht würdig, dass Er unter sein Dach trete. Er war von der Autorität des Herrn überzeugt. Ein Wort von Ihm würde genügen, um seinen Sklaven zu heilen. Er wusste, wovon er sprach, denn er selbst hatte einen kleinen Autoritätsbereich, in dem sein Wort Macht hatte.
Der Herr Jesus bezeichnet den Glauben dieses Römers als gross, ja, er war grösser als das, was Er in Israel gefunden hatte. Können auch wir einen grossen Glauben haben? Ja, wenn wir den Herrn einfach bei seinem Wort nehmen, ohne Rücksicht auf Urteile, Gefühle oder Erfahrungen.
Wir hören nicht, dass der Herr ein besonderes Wort gesprochen hätte. Doch der grosse Glaube des Hauptmanns wurde beantwortet: Die Abgesandten fanden zu Hause einen gesunden Knecht vor.
Ein Toter wird auferweckt
Die Verse 11-17 zeichnen uns ein anderes Bild der Gnade, die der Herr Jesus offenbart hat. Hier sehen wir keinen tätigen Glauben, sondern göttliches Mitleid und göttliche Vollmacht. Die Gnade zeigt sich auch auf diese Weise. Der Herr Jesus, umringt von einer grossen Volksmenge, nähert sich der Stadt Nain. Aus der Stadt kommt ebenfalls eine zahlreiche Volksmenge. Sie begleitet eine Witwe, die ihren einzigen Sohn zu Grabe trägt. Die eine Volksmenge hatte das Leben in ihrer Mitte, die andere den Tod.
Ohne Bitte, ohne irgendeine äussere Veranlassung übernimmt der Herr die Initiative. Voll tief empfundenem Mitleid tröstet Er die Witwe mit den Worten: «Weine nicht!» Dann ruft Er mit göttlicher Autorität den jungen Mann ins Leben zurück und gibt ihn der trauernden Mutter. Welch einen gütigen und gnädigen Herrn haben wir doch!
Wir können die Frage des im Gefängnis schmachtenden Johannes verstehen. So viele Wunderwerke geschahen durch die Hand des Herrn Jesus, aber er blieb im Gefängnis. Warum? War der nach ihm Gekommene wirklich der Messias? Er war es. Vor den Augen aller erfüllten sich die Verheissungen des Alten Testaments, die den Messias und sein Tun ankündigten. Aber Er konnte seine öffentliche Herrschaft noch nicht antreten. Das Volk, vor allem die Führer, nahmen Ihn nicht an, sondern lehnten Ihn ab und verwarfen Ihn. Sein Weg führte daher nicht zum Thron, sondern zum Kreuz. Glückselig, wer trotzdem an Ihn glaubte!
Johannes der Täufer und Christus
Nachdem die Boten des Johannes weggegangen waren, sprach der Herr Jesus über seinen Vorläufer. Er war der grösste Prophet des alten Bundes, denn er sah den Messias, den er ankündigte. Dieses Vorrecht hatte keiner der Propheten des Alten Testaments.
Aber dann sprach der Herr von einer neuen Zeitperiode, vom Reich Gottes. Es ist die Zeit, in der wir leben. Wir stehen in einer viel engeren Beziehung zu Gott als die Glaubenden unter dem Gesetz. Wir sind Kinder und Söhne Gottes. Darum sagte der Herr: «Der Kleinste aber im Reich Gottes ist grösser als er» – nicht in moralischer Hinsicht, aber in seiner Stellung vor Gott.
Nachdem der Herr von Johannes dem Täufer gesprochen hatte, redete Er auch von der Reaktion der Menschen auf die Predigt zur Buße. Viele waren sich ihres Zustands vor Gott bewusst, taten Buße und liessen sich taufen. Die selbstgerechten Pharisäer und Gesetzgelehrten verwarfen dieses Zeugnis. Indem sie meinten, nicht Buße tun zu müssen, entzogen sie sich dem, was Gott auch für sie bereitet hatte: das Heil, das der Erlöser brachte. Jene aber, die auf die Predigt von Johannes reagierten, waren auch offen für den Herrn Jesus, der für sie gekommen war (Lukas 5,31.32).
Die Verse 31-35 sind eine gleichnishafte Beschreibung der ungläubigen Menschen damals. Sie beugten sich weder unter den herzerforschenden Dienst von Johannes, noch freuten sie sich über die Gnade in Jesus Christus. – Die wenigen, die beide Zeugnisse annahmen, waren die Kinder der Weisheit.
Die weinende Sünderin
Ein Pharisäer, der eigentlich zu den Gegnern des Herrn Jesus gehörte, lud Ihn zum Essen ein. Obwohl der Herr wusste, dass Er nicht herzlich empfangen würde, nahm Er in seiner Gnade die Einladung an.
Eine Frau, die das Wort eine Sünderin nennt, benutzte die Gelegenheit für eine Begegnung mit dem Heiland. In ihrem Herzen war eine tiefe Reue über ihr sündiges Leben. Das zeigen ihre Tränen. Sie war überzeugt, dass der Herr Jesus ihr helfen könne. Darum war sie gekommen. Ja, sie hatte bereits eine brennende Liebe zu Ihm. Das sehen wir an dem kostbaren Salböl, mit dem sie seine Füsse salbte, und an den vielen Küssen, mit denen sie seine Füsse küsste. Was ihr fehlte, war die Heilsgewissheit.
Der Gastgeber betrachtete die Szene und machte sich seine Gedanken. «Wenn dieser ein Prophet wäre …» Er war mehr: der Erlöser. Gerade für solche wie diese sündige Frau war Er auf die Erde gekommen. Doch Er vergass auch seinen Gastgeber nicht. In Liebe und Gnade versuchte Er das Herz des selbstgerechten Mannes zu erreichen, der seine Gnade ebenso nötig hatte (Verse 41.42). Ob er den Herrn Jesus und sein Angebot angenommen hat, wissen wir nicht.
Aber die Frau durfte vom Heiland die Zusicherung hören: «Deine Sünden sind vergeben. Dein Glaube hat dich gerettet; geh hin in Frieden.» Nicht der Kummer und die Tränen hatten sie gerettet, sondern ihr Glaube an den Erlöser. Nun hatte sie sein Wort, was ihr absolute Sicherheit des Heils gab. Darauf konnte sie sich stützen und mit innerer Ruhe weitergehen.
Der Sämann sät das Wort
Auf seinem Weg durch Stadt und Dorf begleiteten auch einige Frauen den Herrn Jesus. Sie hatten Ihm so viel zu verdanken, denn Er hatte sie von bösen Geistern und Krankheiten geheilt. Nun stellten sie sich ihrem Retter und Wohltäter zur Verfügung, indem sie Ihm mit ihrer Habe dienten.
Das Gleichnis vom Sämann zeigt, dass das verkündigte Wort bei den Menschen, die es hören, auf sehr unterschiedliche Herzenszustände trifft. Das war damals so, und das ist heute nicht anders.
Da gibt es solche, deren Herz so hart wie ein festgetretener Weg ist. Wenn das Evangelium sie erreicht, ist der Teufel sofort zur Stelle, um das Wort wegzunehmen, damit sie es nicht glauben und errettet werden. – Andere stimmen der göttlichen Botschaft freudig zu. Aber das Wort Gottes kann bei ihnen nicht wirklich in Herz und Gewissen dringen. Oberflächliche Menschen haben keinen Bestand. Wenn es schwierig wird, geben sie alles wieder auf. – Der dritte Herzenszustand zeigt, dass sowohl die Sorgen als auch der Reichtum oder die Vergnügungen des Lebens das Herz derart erfüllen können, dass das gehörte Wort erstickt wird. Man ist so von anderem erfüllt, dass das Wort Gottes richtiggehend verdrängt wird.
Wer aber das gehörte Wort aufrichtig und bereitwillig aufnimmt und bewahrt, bei dem kann der Same aufgehen und Frucht bringen, und dies mit Ausharren. Das bedeutet wohl, dass es im Leben eines Glaubenden Schwierigkeiten und Erprobungen geben kann. Doch das soll kein Hindernis für das Fruchtbringen sein.
Mit dem Herrn im Sturm
Die Verse 16 und 17 schliessen direkt an Vers 15 an. Der Herr Jesus möchte, dass alle, die sein Wort in einem redlichen und guten Herzen aufgenommen haben und bewahren, auch ein Zeugnis gegenüber anderen Menschen sind. Sehen meine Mitmenschen zu Hause, am Arbeitsplatz, in der Nachbarschaft, dass ich an den Herrn Jesus glaube?
Wie ernst ist Vers 18! Die Menschen, deren Herz dem felsigen oder dornigen Ackerboden gleicht, meinen etwas zu haben. Doch es fehlt ihnen das wahre Leben. Sie werden schliesslich alles verlieren.
Die Mutter Jesu und seine Brüder sind hier ein Bild des jüdischen Volkes. Der Herr löst sich von denen, die Ihn nicht annehmen wollen und wendet sich denen zu, die das Wort Gottes hören und befolgen. Diese bilden nun seine Familie. Seine Mutter gehörte damals schon dazu, und später glaubten auch seine Brüder an Ihn (1. Korinther 9,5; Galater 1,19).
In der Nachfolge des Herrn Jesus läuft nicht immer alles glatt. Das erfuhren auch die Jünger bei ihrer Überfahrt. Zwar hatten sie ihren Meister mit im Boot. Doch Er schlief, auch als der Sturm aufkam und das Schiff voll Wasser lief. – Wir können die Not der Jünger nachvollziehen. Aber lasst uns bedenken: Der Herr hatte sie aufgefordert, ans jenseitige Ufer zu fahren. Sie waren also auf einem gottgewollten Weg. Zudem war Er mit im Schiff. Sie brauchten wirklich nicht zu verzweifeln. Doch sie hätten vertrauen sollen. Daran fehlt es auch bei uns oft. Trotz des Mangels an Glauben lässt Er uns in seiner Gnade nicht im Stich.
Befreiung aus der Macht Satans
Der Mann, der dem Herrn Jesus entgegenkam, war ein Sklave Satans und der Sünde – das eindrückliche Bild eines nicht erlösten Menschen. Die ungläubigen Menschen meinen zwar, sie seien frei, sie könnten tun und lassen, was sie wollten. Dass dies nicht stimmt, illustriert Vers 29. Wie viele versuchten den Menschen zu kultivieren und zu verbessern. Alle Bemühungen sind zum Scheitern verurteilt. Es gibt für uns Menschen nur ein Heilmittel, um aus der Macht Satans, die durch die gefallene Natur des Menschen wirkt, befreit zu werden: den Herrn Jesus im Glauben als Heiland annehmen.
Die Veränderung, die mit einem Menschen geschieht, der an den Herrn Jesus glaubt, illustriert Vers 35. Der Mann, der nackt in den Grabstätten lebte, sitzt bekleidet und vernünftig zu den Füssen Jesu. Auf die Bekehrung übertragen können wir sagen: Befreit von der Knechtschaft der Sünde, mit Kleidern des Heils und dem Mantel der Gerechtigkeit bekleidet (Jesaja 61,10; Lukas 15,22), vernünftig, d. h. fähig zu denken, wie Gott denkt, und beim Heiland zur Ruhe gekommen (sitzend).
Dass der Geheilte wünschte, bei seinem Retter zu bleiben, verstehen wir gut. Doch der Herr hatte eine Aufgabe für ihn. Da die Bewohner jener Gegend Jesus wegwiesen, sollte er als sein Zeuge dort bleiben. Was er zu tun hatte, war einfach: «Erzähle, wie viel Gott an dir getan hat.» Heute sind wir Glaubende in einer Welt zurückgelassen, die den Herrn Jesus hinausgeworfen und gekreuzigt hat. Wir dürfen den Menschen ebenfalls weitersagen, was wir in Ihm gefunden haben.
Heilung vom Blutfluss
Von Jairus, dem Synagogenvorsteher, lernen wir, dass wir mit jeder Not zum Herrn Jesus kommen dürfen. Es gibt nichts, was wir Ihm im Gebet nicht sagen könnten. Aber manchmal kommt die Hilfe, die wir so dringend nötig haben, nicht so schnell. Dann wird unser Glaube und unser Vertrauen zum Herrn auf eine harte Probe gestellt, wie dies bei Jairus der Fall war.
In dieser Volksmenge, die den Herrn auf dem Weg zum Haus von Jairus umdrängte, gab es noch jemand anders, der eine grosse Not hatte. Zwölf Jahre litt diese Frau an ihrer Krankheit, und kein Arzt konnte ihr helfen. Aber wie es in einem Lied heisst: «Wo der Menschen Hilf zu Ende, bleiben mächtig seine Hände», so war es auch hier. Im festen Glauben, dass der Heiland ihr helfen könne, und mit dem Gedanken, dass es genüge, die Quaste seines Gewands anzurühren, kam sie von hinten zu Jesus. Ihr Glaube wurde herrlich belohnt.
Doch warum wollte der Herr wissen, wer Ihn angerührt hatte? Als der Allwissende wusste Er es doch! Es ging Ihm um diese Frau. Sie sollte zu wirklicher Heilsgewissheit kommen. In Römer 10,9 werden der Glaube des Herzens und das Bekenntnis mit dem Mund als Voraussetzungen genannt, um errettet zu werden. So war es hier. Nachdem die Frau alles bekannt hatte, durfte sie mit der Zusicherung des Herrn: «Dein Glaube hat dich geheilt; geh hin in Frieden», nach Hause gehen. Nun konnte sie sich auf sein Wort stützen und musste sich nicht auf ihre gemachte Erfahrung verlassen.
Auferweckung aus dem Tod
Über die Nöte und Ängste im Herzen von Jairus als der Gang des Herrn Jesus zu seinem Haus verzögert wurde, wird uns nichts gesagt. Doch nun kam das Schwerste. Einer brachte ihm die niederschmetternde Nachricht vom eingetretenen Tod seiner Tochter. Für die Menschen war jetzt jede Hoffnung dahin. Nicht aber für den Herrn Jesus, der das Leben ist. Als Erstes tröstet und beruhigt Er das Herz des schwergeprüften Vaters. So handelt Er auch uns gegenüber. Wenn wir Ihm unsere Nöte und Probleme vorbringen, will Er zuerst unsere Herzen mit dem Frieden Gottes erfüllen und uns ruhig machen (Philipper 4,6.7). Welch eine Gnade!
Unabhängig davon, wie die Menschen die Lage beurteilten, ging der Herr den Weg weiter bis zum Haus von Jairus. Dort erlaubte Er nur drei seiner Jünger, dem Vater und der Mutter des Mädchens ins Haus einzutreten, wo die verstorbene Tochter lag. Zu den Klagenden und Weinenden, die nicht dabei sein durften, sagte Er: «Weint nicht, denn sie ist nicht gestorben, sondern sie schläft.» Als Herr über Leben und Tod wusste Er, was Er tun wollte. Für Ihn schlief sie. Doch Er wurde von denen verlacht, die Ihn nicht als den Sohn Gottes anerkannten.
Dann rief Er das Mädchen ins Leben zurück und wies die Eltern an, ihr zu essen zu geben. Wie wichtig ist diese Aufforderung für alle, die mit Neubekehrten zu tun haben! Diese brauchen dringend die nötige, ihrem geistlichen Zustand angepasste, geistliche Nahrung, damit ihr neues Leben gedeihen kann.
Der Herr senden zwölf Jünger aus
In Lukas 6, wo der Herr die Zwölf erwählt, werden sie Apostel genannt, was «Gesandte» bedeutet. Jetzt war der Augenblick gekommen, da Er sie als seine Gesandten ausschickte, um das Reich Gottes zu predigen und die Kranken zu heilen. Zu diesem Dienst, der seinem eigenen glich (Lukas 9,11; 8,1.2), rüstete Er sie mit der nötigen Vollmacht aus. Auch heute beruft der Herr Jesus keinen der Seinen in einen Dienst, ohne ihn nicht mit allem dazu Nötigen auszurüsten. Wir haben wirklich den besten Herrn und Meister, dem wir dienen dürfen!
Als Gesandte des Messias, der bei ihnen auf der Erde lebte, brauchten sie sich nicht um die äusseren Belange zu kümmern. Er versorgte sie mit allem. Es fehlte ihnen nichts (Lukas 22,35).
Die Nachricht über das, was durch die Apostel geschah, kam bis an den Hof von König Herodes. Das weckte sein Gewissen auf, weil er Johannes den Täufer enthauptet hatte. War dieser vielleicht auferstanden und drohte ihm nun die Strafe für den begangenen Mord?
Um Klarheit zu bekommen, hätte er gern Näheres über Jesus Christus gewusst. «Er suchte ihn zu sehen.» Er bekam Ihn tatsächlich zu sehen, und zwar als Gefangener der Juden und der Römer (Lukas 23,6-12). Seine Neugier wurde aber nicht gestillt. Weder wirkte der Herr ein Zeichen vor ihm, noch gab Er ihm eine Antwort auf seine vielen Fragen. An jenem Tag regte sich das Gewissen von Herodes nicht mehr. Nun hatte er nur noch Hohn und Spott für Jesus übrig.
Die Speisung der Volksmenge
Jeder Diener des Herrn darf seine im Dienst gemachten Erfahrungen mit seinem Meister besprechen. Wie wichtig und nötig ist dies für jeden von uns! So kamen auch die Apostel zurück und erzählten Ihm alles, was sie getan hatten. Vermutlich waren sie ganz erfüllt von allem, was sie erlebt hatten. Nun nahm der Herr sie mit und zog sich mit ihnen in die Stille zurück.
Dieses Sich-Zurückziehen dauerte nicht lange. Bald war Er wieder von Volksmengen umgeben, die Ihm nachgelaufen waren. In seiner Gnade war der Herr sofort wieder bereit, sie aufzunehmen und ihren geistlichen und körperlichen Bedürfnissen zu entsprechen. Nie dachte Er an sich, immer nur an die anderen!
Gegen Abend sorgten sich die Jünger um das leibliche Wohl der vielen Zuhörer, denn diese waren ihnen an einen öden Ort nachgefolgt. Wie gut, dass sie ihre Sorge ihrem Herrn vorlegen konnten! Doch nun prüfte Er sie. «Gebt ihr – die kurz vorher mit Vollmachten von Ihm ausgestattet worden waren – ihnen zu essen.» Sie bestanden den Test nicht. Anstatt sich auf Ihn, die Quelle aller Kraft, zu stützen, schauten sie auf das Sichtbare; und dieses war völlig unzureichend für den Hunger der grossen Menge. Wie oft machen auch wir diese Erfahrung!
Die Gnade des Herrn aber nahm das vorhandene Wenige und segnete es so, dass alle mehr als genug zu essen bekamen. Und die Jünger, die soeben versagt hatten, durften die Kanäle des Segens werden, der vom Herrn zu allen ausging! Wie gross ist seine Barmherzigkeit!
Dem abgelehnten Herrn nachfolgen
Im Lukas-Evangelium stossen wir immer wieder auf Bibelstellen, die ausdrücklich sagen, dass der Herr betete. Er war wirklicher Mensch, der sich seiner Abhängigkeit von Gott bewusst war und Tag für Tag darin lebte. Welch ein Vorbild für uns alle!
Die Meinungen über seine Person gingen schon damals auseinander. Auch heute kursieren die verschiedensten Ansichten über Jesus Christus. Nur der Glaube erkennt, wer Er wirklich ist. Dieser demütige Mensch, der damals lebte und auf dem Weg zum Kreuz war, wo Er zur Erlösung sündiger Menschen sterben wollte, war und ist der Christus Gottes, d. h. der Messias und der Sohn Gottes (Lukas 1,32.35). Da im Lukas-Evangelium die Betonung auf seiner Menschheit liegt, fährt der Herr fort, von sich als dem Sohn des Menschen zu reden. Gleichzeitig zeigt Er den Jüngern, wohin sein Weg der Leiden und der Verwerfung führen würde: zum Tod am Kreuz von Golgatha. Doch am dritten Tag würde Er auferstehen.
Die Jünger mussten lernen, ihre Hoffnungen nicht länger auf den Messias zu setzen, sondern bereit zu sein, einem von der Welt verworfenen Herrn nachzufolgen. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Doch eine solche Nachfolge verlangt Selbstverleugnung. Aber sie lohnt sich! Denn wer Ihm heute in Treue und Selbstverleugnung nachfolgt, wird dereinst seine Herrlichkeit als Sohn des Menschen mit Ihm teilen. Einige der anwesenden Jünger durften noch vor ihrem Tod einen Blick auf jene Herrlichkeit werfen (Lukas 9,28-36).
Ein Blick in die herrliche Zukunft
Aufs Neue heisst es vom Herrn Jesus, wie Er betete – dort auf dem Berg der Verklärung. Nun sahen die drei Jünger, die Er mitgenommen hatte, wie sich sein Aussehen veränderte. Das war nicht mehr der demütige Sohn des Menschen, den sie bis dahin kennengelernt hatten, sondern eine strahlend herrliche Person.
Die ganze Szene, die sich dort auf dem Berg abspielte, zeigt ein eindrückliches Bild der zukünftigen Herrlichkeit des Reiches Gottes. Mose und Elia, die mit dem Herrn in Herrlichkeit erscheinen, stellen Gläubige dar: Mose die gestorbenen und auferweckten, Elia die entrückten himmlischen. Das Gesprächsthema dieser drei Personen ist der Tod des Herrn in Jerusalem, eine Sache, die die Gedanken von Himmel und Erde beschäftigen. Die drei Jünger stellen den gläubigen Überrest des Volkes Israel in der Zukunft dar. Dieser wird dann unter der Herrschaft des Herrn Jesus auf der Erde leben.
Die zentrale Stellung gehört allein dem Herrn Jesus. Als Petrus einen Vorschlag machte und damit seinen Meister mit Mose und Elia auf die gleiche Stufe stellen wollte, kam die Wolke der Gegenwart Gottes über sie und eine Stimme – es war die Stimme Gottes, des Vaters – bezeugte die Einzigartigkeit seines geliebten Sohnes. Auf diesen Sohn sollten sie und sollen wir hören. Dann verschwanden Mose und Elia. «Jesus wurde allein gefunden.» Vor dieser einmaligen herrlichen Person müssen das Gesetz (Mose) und die Propheten (Elia) zurücktreten.
Hilf meinem Sohn!
Welch ein Gegensatz zur Szene auf dem Berg! Nun befinden wir uns wieder mitten in der Welt, die noch nicht unter der Herrschaft des Herrn Jesus, sondern unter der Macht Satans steht. Aber hatte der Herr seine Apostel nicht mit Vollmacht und Kraft ausgesandt? (Lukas 9,1.2). Wo blieb die «Kraft und Gewalt über alle Dämonen»? Überstieg der Zustand dieses armen Jungen ihre Möglichkeiten? Nein, aber es fehlte ihnen der feste Glaube an die Kraft Gottes, und das betrübte den Herrn sehr. Er stand im Begriff, am Kreuz zu sterben und dann die Jünger zu verlassen, aber es gab noch so viel Unglauben bei ihnen.
Es genügt nicht, mit Jesus zu sein und seine Gaben zu besitzen. Glauben ist nötig, um sie anzuwenden. Der Knabe ist ein Bild der Macht Satans über den Menschen. Nur Gott kann sein Geschöpf davon befreien. Aber die Macht Gottes fand sich im Herrn Jesus und stand dem Glauben derer zur Verfügung, die Er zum Austreiben von Dämonen befähigt hatte.
Und was können wir von diesem Vater lernen? Wir dürfen all unsere Schwierigkeiten und Nöte – ob sie uns persönlich, unsere Familie oder unsere Mitglaubenden betreffen – zum Herrn Jesus bringen und sie Ihm im Gebet sagen. Wenn wir dies im Vertrauen tun, werden wir die Antwort bekommen, die seine Liebe uns zugedacht hat. Lasst uns beim glaubensvollen Gebet nie vergessen: Unsere Schwierigkeiten sind für Gott absolut kein Problem!
Unverständnis und Hochmut
Wenn wir gestern Mangel an Glauben bei den Jüngern gesehen haben, so kommt jetzt noch ein Mangel an Verständnis dazu. Als der Herr Jesus zum zweiten Mal von seinem Tod sprach (vergleiche Lukas 9,22), sagt der inspirierte Text: «Sie aber verstanden dieses Wort nicht, und es war vor ihnen verborgen, damit sie es nicht begriffen.» Warum fanden die einfachen Worte ihres Meisters über das, was Ihn erwartete, keinen Eingang in ihre Herzen? Weil sie von den Vorstellungen über die Herrlichkeit des kommenden Reiches derart erfüllt waren, dass sie keinen anderen Gedanken zulassen wollten. Sie waren nicht bereit, sich mit dem Gedanken seiner Verwerfung zu beschäftigen, denn dann hätten sie ihre eigenen hochtrabenden Vorstellungen begraben müssen.
Die Apostel dachten wohl alle, dass sie im Reich des Messias eine wichtige Position einnehmen würden. Aber wer von ihnen würde der Grösste sein? – Der Herr, der ihre Überlegung sah, belehrte sie anhand eines Kindes, das keine Ansprüche in dieser Welt hat und in der Bewertung der Menschen keinen besonderen Platz einnimmt. Das war eigentlich seine Lage, als sein Volk Ihn verwarf. Nun ging es darum, dass die Jünger Ihn als den Verworfenen aufnahmen. Dann würden sie auch klein in den Augen der Welt, aber gross vor Gott sein.
Die Antwort des Herrn auf den Einwand von Johannes ist bedeutsam. Es zeigte sich damals schon, dass eigentlich die ganze Welt gegen Christus war (sie ist es heute noch). Wer daher etwas im Namen Jesu tat, stellte sich unweigerlich auf seine Seite.
Unterweisungen für Jünger
Ab Vers 51 beginnt in diesem Evangelium der letzte Weg des Herrn Jesus nach Jerusalem, wo Er am Kreuz sterben sollte. Als Er mit Entschiedenheit und ohne sich durch irgendetwas hindern zu lassen, diesen schweren Weg des Willens Gottes ging, musste Er auch die Ablehnung der Samariter erfahren. Jakobus und Johannes, die noch kaum etwas von der Sanftmut und Gnade ihres Meisters gelernt hatten, wollten diese mit Gericht bestrafen.
In den Versen 57-62 wird das Thema der Nachfolge des Herrn Jesus behandelt. Da dieser Abschnitt nach Vers 51 steht, geht es um die Nachfolge eines von den Menschen verworfenen und gekreuzigten Herrn und Meisters. Der Erste, der Ihm nachfolgen wollte, scheint die Kosten der Nachfolge nicht überschlagen zu haben. Wenn er für diese Erde einen Vorteil erwartete, musste der Herr ihm klarmachen: Du folgst einem Meister, der hier kein Zuhause, nicht einmal einen Ort hat, wo Er sein Haupt in Ruhe hinlegen kann. Der Zweite, den der Herr in seine Nachfolge rief, wollte zuerst seinen Verpflichtungen in den natürlichen Beziehungen nachkommen. Der Dritte wollte zuvor in angemessener Weise von seinen Angehörigen Abschied nehmen. Echte Jüngerschaft ist aber nur möglich, wenn der Herr in jeder Hinsicht zuerst kommt, wenn seine Rechte über alles andere gestellt werden. Wer nur mit halbem Herzen nachfolgt, gleicht dem Pflüger, der ständig zurückblickt. Er wird keine gerade Furche ziehen können. Halbherzige sind für das Reich Gottes untauglich. Haben wir das auch schon bedacht?
Buchtipp: Bibel-Auslegung zum Lukas-Evangelium
Einleitung
Lukas schreibt, wie der Heiland in Bethlehem geboren wurde. Er erzählt auch, dass Jesus Christus den Menschen in Gnade begegnet ist und unzählige Kranke geheilt hat. Beim Lesen seines Evangeliums begleiten wir den Herrn, wie Er in Israel durch die Städte und Dörfer zog, um zu suchen und zu erretten, was verloren ist. Leider lehnten Ihn viele Menschen ab. Aber es gab einige, die an Ihn glaubten und Ihm nachfolgten.
Von Anfang an
Lukas war unter den von Gott inspirierten Schreibern des Neuen Testaments der einzige Nichtjude. Er durfte den Herrn Jesus als den Sohn des Menschen, der die Gnade Gottes allen Menschen offenbarte, beschreiben. Der Kernvers dieses Evangeliums steht in Lukas 19,10: «Der Sohn des Menschen ist gekommen, zu suchen und zu erretten, was verloren ist.» Zu diesen Verlorenen zählen alle Menschen von Natur. Auch das Heil, das Jesus Christus am Kreuz von Golgatha erwirkt hat, wird nun allen angeboten (Lukas 24,46.47). Welch eine herrliche Botschaft!
Lukas, von Beruf Arzt, schrieb seinen Bericht an Theophilus, einen gläubigen Griechen. Zu Beginn der christlichen Zeitperiode kursierten manche Erzählungen über das Leben unseres Erlösers. Aber nur vier Berichte sind von Gott inspiriert. Einer davon ist die Arbeit von Lukas, der allem von Anfang an genau gefolgt war. Was wir vor uns haben, ist ein göttlicher Bericht über Jesus Christus. Gott liess ihn durch einen von Ihm ausgewählten Diener niederschreiben.
Als Arzt durfte Lukas ausführlich über die Menschwerdung des Sohnes Gottes berichten (seine Geburt, seine Kindheit, sein Wachstum). Weiter stellt er Ihn als den sündlosen Menschen vor, der Tag für Tag im Gehorsam und in Abhängigkeit von seinem Gott hier lebte. Wie zutreffend war das Zeugnis des römischen Hauptmanns, nachdem Jesus am Kreuz gestorben war: «Wahrhaftig, dieser Mensch war gerecht!»