Sie verwenden einen veralteteten Browser. Um das optimale Nutzungserlebnis zu haben, sollten sie einen anderen Browser verwenden.

Schriftart

Schriftgrösse

klein gross

Weitere Einstellungen

Leseplan: Der gefangene Apostel
1x
  • Erklärung ein-/ausblenden

Einleitung

Auf der Rückkehr seiner dritten Missionsreise besucht Paulus die Gläubigen in Jerusalem. Er hat es am Herzen, die Juden für den Herrn Jesus zu gewinnen. Aber sie widerstehen ihm und wollen ihn töten. Da greifen die Römer ein und nehmen Paulus fest. Nun geht es ihm wie seinem Herrn. Obwohl seine Unschuld offensichtlich ist, wird er nicht freigelassen.

Als die Juden ihren Druck auf den römischen Statthalter Festus erhöhen, beruft sich Paulus auf den Kaiser. Auf der Reise nach Rom erleidet er Schiffbruch. Dennoch erreicht er das Ziel, denn der Herr hat ihm gesagt: «Wie du von mir in Jerusalem gezeugt hast, so musst du auch in Rom zeugen» (Apostelgeschichte 23,11).

Der Apostel Paulus legt Zeugnis von Jesus Christus ab:
Apg 22,1-21: Auf den Stufen zum römischen Lager
Apg 23,1-11: Vor dem Synedrium
Apg 24,10-21: Vor dem Statthalter Felix
Apg 26,1-29: Vor König Agrippa

Weiterreise nach Tyrus

Der erste Vers betont noch einmal, wie schmerzlich der Abschied von den Vertretern der Versammlung von Ephesus war. Lukas leitet die Fortsetzung der Reisebeschreibung mit den Worten ein: «Nachdem wir uns von ihnen losgerissen hatten …» Sie alle liebten den Apostel, der ihnen den ganzen Umfang der herrlichen Botschaft Gottes an die Menschen mitgeteilt hatte.

Die Weiterreise erfolgte per Schiff, bis Paulus und seine Begleiter schliesslich in Tyrus ankamen. Dort fanden sie gläubige Christen, bei denen sie sieben Tage blieben. In Apostelgeschichte 20,23 sagte der Apostel, dass der Heilige Geist ihm von Stadt zu Stadt bezeugt hatte, dass er Fesseln und Bedrängnisse zu erwarten hatte. Doch er wollte keine Rücksicht auf sich und sein Leben nehmen. Er war bereit, für seinen Herrn zu sterben.

Die Jünger in Tyrus bezeugten dem Apostel durch den Geist, nicht nach Jerusalem hinaufzugehen. Hätte Paulus nun nicht stutzig werden sollen? Wenn er auf seinem Weg nach Jerusalem weiterging, geschah es sicher nicht unter der freien Leitung des Heiligen Geistes, wie Er ihn bis dahin in seinem Dienst geführt hatte. Aber es war kein offener Ungehorsam gegen den Herrn, denn der Heilige Geist warnte ihn nur. Er gab ihm keinen Befehl.

Paulus und die bei ihm waren reisten weiter. Vorher beteten sie mit den Glaubensgeschwistern in Tyrus und nahmen dann herzlich Abschied von ihnen. Es scheint, dass niemand in der Lage war, den Apostel von seinem Vorhaben abzubringen.

Bibeltext anzeigen

Ankunft in Jerusalem

Auf der letzten Wegstrecke nach Jerusalem machten Paulus und seine Reisebegleiter einen mehrtägigen Halt in Cäsarea. Sie wohnten im Haus des Evangelisten Philippus, von dem wir in Apostelgeschichte 8,40 das letzte Mal etwas gelesen haben. Dieser treue Mann, der dem Kämmerer aus Äthiopien das Evangelium von Jesus Christus sagen durfte, stand immer noch im Dienst seines Herrn. Auch seine vier gläubigen Töchter liessen sich vom Herrn gebrauchen. Sie taten einen Dienst der Weissagung für die anderen, ohne dass näher erklärt wird, worin er bestanden hat (1. Korinther 14,3).

Auch dem Propheten Agabus, der hier voraussagte, was Paulus in Jerusalem passieren werde, sind wir früher begegnet (Apostelgeschichte 11,28). Alle, die zusahen, als Agabus sich mit dem Gürtel von Paulus band, und seine Worte hörten, baten den Apostel, nicht nach Jerusalem hinaufzugehen. Die Antwort von Paulus zeigt, warum er an seinem Vorhaben festhielt. Sein Herr und Heiland bedeutete ihm alles. Für Ihn wollte er sein Leben hingeben. Er war bereit, für Ihn zu sterben. Aber verlangte der Herr das jetzt von ihm?

Aus den Briefen wissen wir, dass Paulus auch eine Gabe von den Gläubigen in Achaja und Mazedonien bei sich hatte, um sie den verarmten Glaubenden in Jerusalem zu bringen. Aber wollte der Herr, dass er diese Gabe überbrachte? Hatte Er ihm nicht einen anderen Dienst aufgetragen?

Wie schön ist die Haltung derer, die dort in Cäsarea bei Paulus waren! Sie wurden still und übergaben das Ganze dem Herrn und seinem Willen.

Bibeltext anzeigen

Jüdische Brüder und der Tempel

Die erste Reaktion auf die Ankunft von Paulus in Jerusalem war ein freudiger Empfang durch die dortigen Brüder (Vers 17). Am nächsten Tag aber gab es eine Zusammenkunft mit den führenden Männern von der Versammlung in Jerusalem. Sie freuten sich über das, was Gott unter den Nationen gewirkt hatte. Das grosse Problem aber war, dass die gläubig gewordenen Juden sich nicht vom Gesetz trennen konnten. Die Befreiung vom Gesetz nach Römer 7 kannten sie nicht. Sie wollten zwar den Gläubigen aus den Nationen das Halten des Gesetzes nicht auferlegen (Vers 25). Sie selbst aber blieben Eiferer für das Gesetz. Und Paulus?

Er trat in seiner Verkündigung klar gegen jede Gerechtigkeit aus dem Gesetz auf. Das Halten des Gesetzes machte einen Christen in keiner Weise frömmer. Doch die fanatischen Eiferer für das Gesetz wollten einen Unterschied zwischen gläubigen Christen aus den Juden und solchen aus den Nationen aufrechterhalten. Gerade das aber hatte Gott beseitigt und eine neue Einheit gebildet: die Versammlung Gottes (Epheser 2,14-18).

Nun machten die Ältesten in Jerusalem einen menschlichen Vorschlag (Verse 23-24). Sie wollten eine Auseinandersetzung vermeiden. Doch es war ein Kompromiss auf Kosten der Wahrheit. Wenn Paulus darauf einging, schwächte dies seine Verkündigung. Wie konnte er von der Befreiung vom Gesetz reden, wenn er sich selbst wieder darunter stellte und bereit war, solche Vorschriften zu erfüllen? Die Sache des Evangeliums stand in Gefahr.

Bibeltext anzeigen

Gefangennahme von Paulus

Nun handelte der Herr in seiner Barmherzigkeit. Er liess nicht zu, dass Paulus den Verordnungen des Gesetzes nachkommen konnte. Aber für den Apostel war das Eingreifen des Herrn sehr einschneidend. Von diesem Moment an war er kein freier Mann mehr. Der Herr schenkte ihm zwar auch im weiteren Verlauf seines Lebens Gelegenheiten, für Ihn zu zeugen und den Gläubigen zu dienen. Denken wir nur an die inspirierten Briefe, die er als Gefangener geschrieben hatte! Aber seine Reisetätigkeit für den Herrn und die Seinen fand ein abruptes Ende.

Zum Pfingstfest waren auch Juden aus der Provinz Asien nach Jerusalem gekommen. Sie gehörten zu denen, die Paulus, als er in ihren Synagogen das Evangelium von Jesus Christus verkündigte, erbitterten Widerstand leisteten. Hier im Tempel zettelten sie einen Volksauflauf an, indem sie mit der Unwahrheit, er habe einen Heiden in den Tempel geführt, die Menge richtig aufbrachten.

Hätte Gott in seiner Vorsehung nicht die römischen Soldaten mobilisiert, dann wäre Paulus wohl von der wütenden Menge getötet worden. In der Hand der Römer befand er sich in einer gewissen Sicherheit. Auf seine Bitte hin wurde ihm sogar erlaubt, zum Volk zu sprechen. Er wollte wenn möglich die Gelegenheit benutzen, um seinen Landsleuten in Jerusalem noch einmal das Evangelium vorzustellen. Es ging ihm um die Juden in Jerusalem und Judäa. Darum wird ausdrücklich gesagt, dass er sie in hebräischer Mundart anredete.

Bibeltext anzeigen

Paulus erzählt seine Bekehrung

Als Botschaft erzählte er dieser Menge seine eigene Geschichte und seine Bekehrung vor den Toren von Damaskus. Er suchte einen Anknüpfungspunkt zu seinen Zuhörern. Darum begann er mit den Worten: «Ich war, wie ihr alle heute seid, ein Eiferer für Gott.» Weiter verschwieg er nicht, wie fanatisch er die Christen verfolgt hatte.

Das Wichtigste aber kam in Vers 6, als er von dem grossen Licht aus dem Himmel sprach, das ihn umstrahlte und zu Boden warf. In Apostelgeschichte 9 schrieb Lukas von einem Licht. Für Paulus, den Betroffenen, war es ein grosses Licht.

Dann kam die Stimme, die ihn direkt ansprach: «Saul, Saul, was verfolgst du mich?» Es war Jesus, der verachtete, gekreuzigte Nazaräer, der tatsächlich im Himmel lebte. Indem Saulus die an den Herrn Jesus Glaubenden verfolgte, verfolgte er Jesus Christus selbst, der aufs Engste mit den Seinen verbunden ist. Sie alle sind Glieder seines Leibes auf der Erde. Er im Himmel ist das verherrlichte Haupt dieser Einheit.

Die Herrlichkeit jenes himmlischen Lichts hatte Paulus so geblendet, dass er eine Zeitlang blind war. Aber er wollte seinen Zuhörern deutlich machen, dass er die Autorität Dessen anerkannte, der ihn zu Boden geworfen hatte und vom Himmel her zu ihm sprach. Er nennt Ihn Herr, fragt Ihn, was er zu tun habe, und gehorcht seinem Wort. Mit Vollmacht der Führerschaft in Jerusalem ausgerüstet, kam er als Christenverfolger nach Damaskus. Als ein gebrochener, blinder Mann wurde er in die Stadt geführt.

Bibeltext anzeigen

Ananias und der Sendeauftrag

Im Blick auf seine Zuhörer bezeichnete Paulus Ananias als «einen gottesfürchtigen Mann nach dem Gesetz, der ein gutes Zeugnis von allen dort wohnenden Juden hatte». Aber er war ein Jünger des Herrn Jesus (Apostelgeschichte 9,10), der mit den Worten zu ihm kam: «Bruder Saul, werde wieder sehend!» Daraus konnten die Zuhörer schliessen, dass Saulus sich bekehrt hatte und ein Christ geworden war. Er gehörte zur Schar derer, die an den Herrn Jesus glaubten und Ihm nachfolgen wollten.

Ananias hatte Saulus noch mehr zu sagen. Er teilte ihm mit, dass Gott ihn als ein besonderes Werkzeug gebrauchen wollte. Er sollte ein Zeuge des im Himmel verherrlichten Christus werden, und zwar für alle Menschen (Vers 15). Um für einen solchen Auftrag befähigt zu werden, würde er den Gerechten sehen (1. Korinther 15,8). Seine Stimme hatte er bereits gehört. In Vers 18 bezeugt Paulus, dass er den Herrn sah und dieser ihn aus Jerusalem fortsandte. Warum? Weil Gott wusste, dass die Juden sein Zeugnis nicht annehmen würden.

Es blieb aber der grosse Wunsch des Apostels, seinen Landsleuten Jesus als den Messias und den Sohn Gottes vorzustellen (Apostelgeschichte 9,20). Er hätte seine eigene Rettung aufgegeben, wenn er dadurch die Juden für den Herrn Jesus hätte gewinnen können (Römer 9,3). Doch der Herr wusste besser als Paulus, dass sie ablehnend blieben. Darum konnte er nicht auf die Einwände des Apostels in den Versen 19 und 20 eingehen. Stattdessen wollte Er ihn weit weg zu den Nationen senden.

Bibeltext anzeigen

Paulus, der römische Staatsbürger

Mit den Worten von Vers 21 rief Paulus die Eifersucht der Juden hervor. Er hatte sie in ihrem Stolz verletzt. Sie waren doch das einzige Volk, das eine Beziehung zum wahren Gott hatte. Sie meinten, es gebe kein Heil für die Nationen, ohne dass diese zuerst Juden würden und das Gesetz hielten. Ein Mann, der ein Jude war und behauptete, Gott hätte ihn direkt zu den Nationen gesandt, durfte nicht am Leben bleiben.

Um einem weiteren Tumult vorzubeugen, befahl der Oberste, den verhafteten Mann ins Lager zu bringen. Mit Hilfe von Foltermethoden wie die Geisselung sollte er ausgeforscht werden, um den Grund für die Wut der Juden gegen ihn zu erfahren.

In Philippi, als es um die Sache des Herrn ging, machte Paulus erst nach den Schlägen Gebrauch von seinem römischen Bürgerrecht (Apostelgeschichte 16,37). Hier ging es nicht um direkte Leiden für das Evangelium. Deshalb machte Paulus sein römisches Bürgerrecht vor der Geisselung geltend. Dadurch entging er einer schlimmen Tortur, die niemand gedient hätte.

Obwohl wir Himmelsbürger sind, leben wir noch in dieser Welt, wo wir als Staatsbürger Pflichten und Rechte haben. Gottes Wort fordert uns auf, der Obrigkeit untertan zu sein. Der Herr verlangt jedoch nicht, dass wir uns in dieser Welt unnötigen Leiden aussetzen. Wir dürfen, wenn die Welt uns Unrecht tut, sie an unsere Rechte erinnern. Niemals aber sollte ein Christ auf seinen Rechten in dieser Welt beharren oder sogar dafür kämpfen oder sich politisch engagieren.

Bibeltext anzeigen

Paulus vor dem Synedrium

Der römische Oberste, der vermutlich von der in hebräischer Mundart gehaltenen Rede von Paulus nichts verstanden hatte, wollte den Grund für den Hass der Juden gegen diesen Mann erfahren. Er liess die jüdische Gerichtsbarkeit zusammenkommen und stellte Paulus vor das Synedrium (Apostelgeschichte 22,30).

Als Paulus seine Verteidigung begann und seine Unschuld zu beweisen suchte – er redete von seinem guten Gewissen –, befahl der Hohepriester, ihn auf den Mund zu schlagen. Das Gleiche erlebte auch der Herr Jesus (Johannes 18,22). Aber welch ein Unterschied in der Reaktion zwischen dem Heiland und dem Apostel Paulus, der damals nicht auf der Höhe seines Glaubens stand! Seine Reaktion offenbarte nicht die Sanftmut des Herrn Jesus.

In Vers 6 stellte Paulus sich als Pharisäer vor, der an die Auferstehung glaubte. War er noch ein Pharisäer? Nein, er war ein Gesandter von Christus, ein Kind Gottes, ein Erlöster, ein Himmelsbürger, der keiner jüdischen Partei mehr angehörte. Wollte er mit diesem Ausspruch eine Seite des Synedriums für sich gewinnen? Oder war es ein Schachzug, um die Männer des Synedriums gegen einander aufzuhetzen? Die Bibel gibt darauf keine Antwort. Sie beschreibt nur den Zwiespalt, der entstand. Zum Glück stand Paulus unter dem Schutz der römischen Soldaten, die ihn vor den gewalttätigen Mitgliedern des Synedriums in Sicherheit brachten.

Obwohl Paulus versagt hatte, liess der Herr ihn nicht im Stich, sondern sprach ihm Mut zu. Er sollte auch in Rom von Ihm zeugen.

Bibeltext anzeigen

Mordanschlag auf Paulus

Nachdem Paulus in der Nacht die ermunternde Zusage seines Herrn hören durfte, liess Gott ihn am folgenden Tag erleben, wie Er seine schützende Hand über ihm hielt. Der Herr hatte seinem Knecht nicht nur die Zusage gemacht, dass er auch in Rom von Ihm zeugen sollte. Er sorgte auch dafür, dass kein Mensch dies vereiteln konnte. – Gott steht immer zu dem, was Er versprochen hat, und führt es auch aus. Welch ein Trost für uns!

Der Hass der Juden auf Paulus muss grenzenlos gewesen sein. Wie hätten sie sonst einen für sie so gefährlichen Anschlag auf ihn planen können? Vom Teufel angestachelt wollten sie diesen treuen Knecht des Herrn beseitigen, und zwar so schnell wie möglich.

Doch der Mensch kann Gott nicht überlisten. Der Herr benutzte den Hass der Juden, um seinen Diener umso schneller aus ihrer Hand zu befreien. Ein Neffe von Paulus hörte vom Komplott und berichtete es seinem Onkel. Dieser sorgte dafür, dass der Oberste der römischen Besatzungsmacht darüber informiert wurde. Und Gott bewirkte, dass dieser römische Offizier die Sache ernst nahm.

Warum hat Gott diese Geschichte so ausführlich in seinem ewigen Wort festgehalten? Wollte Er damit nicht zeigen, wozu der Mensch in seinem Hass gegen das Werk des Herrn fähig ist und wie raffiniert er sein kann? Anderseits zeigt die Geschichte, wie Gott alles in der Hand hat und die Seinen schützt, so dass keine Macht der Welt oder Satans ihnen etwas anhaben kann, wenn Er es nicht zulässt.

Bibeltext anzeigen

Verlegung nach Cäsarea

Als der Apostel Paulus durch seinen Neffen vom geplanten Anschlag auf sein Leben hörte, unternahm er selbst nichts. Er liess den Sohn seiner Schwester direkt zum Obersten führen und legte damit alles in die Hand Gottes. Wie gnädig wirkte dann der Herr! Wir können nur staunen.

Unter dem Schutz von 470 römischen Soldaten wurde Paulus noch in der gleichen Nacht aus der Stadt hinausgeführt, in der man ihn um jeden Preis umbringen wollte. So gelangte er sicher zum römischen Statthalter nach Cäsarea. Mit seiner Verlegung ins Hauptquartier der Besatzungsmacht wurde Paulus dem römischen Recht unterstellt. Die jüdische Gerichtsbarkeit war damit ausgeschaltet.

In seinem Begleitbrief, den Klaudius Lysias an seinen Vorgesetzten schrieb, stellte er sich in ein gutes Licht. Dabei nahm er es mit der Wahrheit nicht sehr genau. Denn erst als er Paulus geisseln lassen wollte, hatte er erfahren, dass dieser das römische Bürgerrecht besass, nicht vorher. Doch eins war ihm ganz klar geworden: Gegen diesen Mann lag keine haltbare Anklage vor, und sicher keine, die die Todesstrafe bedingt hätte. Auch spätere Richter kamen zum gleichen Schluss.

Mit dieser nächtlichen Abreise verliess Paulus die Stadt seiner Väter für immer. Jerusalem lag endgültig hinter ihm. In Cäsarea angekommen wollte sich der Statthalter Felix näher mit dem Fall von Paulus befassen. Für den Moment blieb er bei den Römern in Untersuchungshaft.

Bibeltext anzeigen

Die Anklage des Tertullus

Die Juden gaben sich noch nicht geschlagen. Bereits fünf Tage nach der sofortigen Verlegung von Paulus trafen der Hohepriester mit einigen führenden Juden und einem Anwalt in Cäsarea ein. Beim Statthalter erstatteten sie Anzeige gegen Paulus und bewirkten einen weiteren Prozess. Der Anwalt der Juden war ein begabter Redner. Zuerst versuchte er mit schmeichelnden Worten den Statthalter für die Juden zu gewinnen. Dann stellte er die Anklage gegen Paulus in drei Punkten vor:

  • Paulus errege unter Juden im römischen Reich Aufruhr.
  • Er sei ein Anführer der Sekte der Nazaräer (Christen).
  • Er habe versucht, den Tempel zu entheiligen.

Aufrührer im Reich wurden von den Römern hart bestraft. Und Entheiligung des Tempels bedingte die Todesstrafe. Sollten sich diese Anklagepunkte bewahrheiten, dann gab es für Paulus wenig Hoffnung.

Schliesslich betonte Tertullus, wie die Juden den Angeklagten gern nach ihrem Gesetz gerichtet hätten. Aber Lysias, der römische Oberste in Jerusalem, habe dies vereitelt. Zum Schluss seiner Rede behauptete der Anwalt der Juden sehr überzeugt, dass Felix bei einem weiteren Verhör des Angeklagten die Sache bestätigt finden würde.

In Vers 9 scheint es, dass alle gegen einen waren. Doch Paulus hatte seine innere Ruhe wieder gefunden. Er konnte alles seinem Gott überlassen und warten, bis er eine Gelegenheit bekam, für sich selbst zu reden.

Bibeltext anzeigen

Die Verteidigung von Paulus

Als der Statthalter dem Angeklagten das Wort gab, redete Paulus klar und bestimmt. Zuerst anerkannte er Felix als Richter, vor dem er sich verantworten wollte, aber ohne irgendeine Schmeichelei.

Die Anklagepunkte 1 und 3 widerlegte er klar. Er hatte weder den Tempel entheiligt noch einen Volksauflauf in Jerusalem angestiftet. Die Ankläger konnten ihre Behauptungen nicht beweisen. Was die Juden an anderen Orten im römischen Reich betraf, konnten die Führer in Jerusalem erst recht nichts beweisen. Dazu hätten die Juden aus Asien, die in Apostelgeschichte 21,27 den Aufruhr in Jerusalem angezettelt hatten, hier vor dem Richter Felix eine Anklage gegen Paulus vorbringen müssen.

Im Blick auf den Anklagepunkt 2 sagte Paulus zwar nicht, dass er ein Anführer der Christen sei. Doch er nahm die Gelegenheit wahr, um klar zu bekennen, dass er als ein gläubiger Christ vor Gott zu leben begehrte. Er war mit einer materiellen Gabe nach Jerusalem gekommen, um Gutes zu tun, nicht um Aufruhr zu stiften.

Schliesslich war Paulus bereit zu bekennen, dass er vor dem Synedrium ausgerufen hatte: «Wegen der Auferstehung der Toten werde ich heute von euch gerichtet.» Diese fleischliche Reaktion hatte zu einem Tumult geführt. Das hatte Paulus eingesehen und vor Gott in Ordnung gebracht. Darum konnte er sagen, er bemühe sich, stets ein gutes Gewissen zu haben. Seine aufrichtige Verantwortung bewies, dass er unschuldig war.

Bibeltext anzeigen

Zweijährige Haft unter Felix

Zu jener Zeit war das Christentum keine verborgene Sache mehr, sondern öffentlich bekannt. Auch Felix wusste Bescheid über das christliche Bekenntnis. Es entging ihm nicht, dass es bei der Anklage der Juden gegen Paulus um die christliche Lehre ging. Er vertagte die Sache und verschob das Urteil auf später. Obwohl Paulus in Gefangenschaft blieb, wurden seine Umstände sehr erleichtert.

Felix war zwar nicht unwissend über das Christentum. Zusammen mit seiner Frau Drusilla wollte er sich aber noch besser informieren. Das Statthalter-Ehepaar schien interessiert zu sein und gab Paulus die Gelegenheit, über den Glauben an Christus zu reden.

Nun konnte der gefangene Apostel einem hochgestellten römischen Beamten und seiner Frau das Evangelium verkündigen. Er stellte ihnen aber nicht nur die Gnade Gottes vor, sondern sprach auch vom praktischen Leben, das auf den Glauben an den Herrn Jesus folgt. Es soll von praktischer Gerechtigkeit und von einem Abstehen von der Sünde geprägt sein. Paulus verschwieg auch das Gericht nicht, das den treffen wird, der das Angebot der Gnade zurückweist.

Felix merkte, dass es ernst galt. Aber er wollte sein bisheriges Leben nicht aufgeben. Das wäre aber die Konsequenz gewesen, wenn er an Jesus Christus geglaubt hätte. Also verschob er die Entscheidung auf später. Man bekommt jedoch den Eindruck, dass aus dem Später ein Nie wurde. Zwei Jahre danach wurde Festus sein Nachfolger als Statthalter. Die Akte «Paulus» war noch nicht erledigt.

Bibeltext anzeigen

Erneute Anklage durch die Juden

Im Unterschied zu seinem Vorgänger hatte der neue römische Statthalter keine Beziehung zum Judentum. Er scheint auch über das Christentum unwissend gewesen zu sein (vergleiche Vers 19). Da aber Jerusalem, das Zentrum der Juden, zu seinem Verwaltungsbereich gehörte, reiste er schon drei Tage nach seinem Amtsantritt von Cäsarea nach Jerusalem.

Auch nach zwei Jahren hatte sich der Hass der jüdischen Führer gegen den Apostel Paulus in keiner Weise gelegt. Sobald sie eine neue Gelegenheit fanden, einen Anschlag auf das Leben dieses Dieners des Herrn zu verüben, ergriffen sie diese.

Gott verhinderte durch einen klaren Entscheid des neuen Statthalters, dass Paulus nochmals nach Jerusalem gebracht wurde. Festus war aber offen für einen weiteren Prozess in Cäsarea. Doch die Ankläger konnten ihre Beschuldigungen nicht beweisen. Die Verteidigung von Paulus war knapp, aber eindeutig: Er hatte sich weder gegen das Gesetz Moses noch gegen den Tempel noch gegen den Kaiser versündigt.

Auf die Frage des Richters, ob er in Jerusalem gerichtet werden wolle, berief sich der Angeklagte auf den Kaiser. Den Juden hatte er kein Unrecht getan. In ihre Hände wollte er nicht fallen. Sollte es sich aber herausstellen, dass er gegen das römische Recht verstossen hatte, war er bereit, die Konsequenzen zu tragen. Gott bewirkte, dass der neue Statthalter die Berufung auf den Kaiser akzeptierte. Für Paulus wurde es klar, dass dies der Weg war, auf dem er nach Rom kommen sollte: als Gefangener der Römer.

Bibeltext anzeigen

Festus und König Agrippa

Das Herrschaftsgebiet von König Agrippa grenzte an das Verwaltungsgebiet von Festus. So statteten Agrippa und Bernice dem neuen römischen Statthalter einen Höflichkeitsbesuch ab. Festus benutzte die Gelegenheit, um den für ihn nicht einfachen Fall von Paulus mit jemand zu besprechen.

Agrippa war abstammungsmässig ein Edomiter, aber was sein religiöses Bekenntnis betraf, hielt er sich zu den Juden. Über das Judentum wusste er gut Bescheid. Auch über die aktuellen religiösen Fragen im Land war er informiert (Apostelgeschichte 26,3.26-29).

Die Worte, mit denen Festus seinen Gästen die Sachlage schilderte, zeigen ihn als einen menschlich gerechten Richter, dem aber weder Gott noch Religion etwas bedeuteten. Dadurch kam er in Verlegenheit, als es um die jüdische Religion und einen gewissen Jesus ging. Die Erklärungen von Festus genügten, um das Interesse von Agrippa zu wecken. Und so wurde auf den folgenden Tag eine Anhörung des Gefangenen Paulus festgesetzt.

Es versammelte sich eine vornehme Gesellschaft im Gerichtssaal, wo Paulus vorgeführt werden sollte. Festus erklärte den Versammelten und vor allem König Agrippa seine schwierige Lage: Er sollte einen Gefangenen an die höchste Instanz, den Kaiser, weiterleiten. Doch für ihn war der Mann unschuldig, auch wenn die Juden vehement seinen Tod forderten. Was sollte er in diesem Fall der obersten Gerichtsbehörde schreiben?

Bibeltext anzeigen

Paulus verantwortet sich vor König Agrippa

In Apostelgeschichte 9,15 sahen wir, dass Paulus ein vom Herrn auserwähltes Gefäss war, um seinen Namen auch vor Königen zu bezeugen. Hier bekam er eine Gelegenheit dazu. Er freute sich über die Möglichkeit, einer vornehmen Zuhörerschaft das Evangelium zu verkündigen, und begann von seinem Leben vor der Bekehrung zu erzählen.

Er war ein überaus streng gläubiger Jude gewesen. Und jetzt stand er vor Gericht, weil er an Den glaubte, der die Hoffnung und Erwartung des ganzen Volkes Israel war: der Messias Jesus Christus. Diese Hoffnung umfasste auch seine Auferstehung, denn im Alten Testament werden die Leiden, das Sterben und die Auferstehung des Messias vorausgesagt.

Mit der Frage: «Warum wird es bei euch für unglaubhaft gehalten, wenn Gott Tote auferweckt?», dachte er sicher an Festus und andere Zuhörer, die das ablehnten, was menschlich nicht erklärbar ist. Die Auferstehung von Toten ist tatsächlich etwas Unglaubliches, aber nur von der Warte der Menschen aus gesehen. Bringt man Gott und seine Macht hinein, dann löst sich das Problem. Als Herr über Leben und Tod vermag Er Tote aufzuerwecken.

Paulus verschwieg vor diesem Auditorium auch seinen verkehrten Eifer für Gott nicht. Wie sehr hatte er die verfolgt, die sich zum Herrn Jesus bekannten! Er meinte, der Nazaräer sei ein Verführer und Gotteslästerer, und er müsse gegen diesen Jesus und die an Ihn Glaubenden mit aller Härte vorgehen. Er verfolgte sie über die Grenzen Israels hinaus.

Bibeltext anzeigen

Paulus erzählt nochmals seine Bekehrung

Als Paulus bei seiner Verfolgung der Christen nach Syrien reiste, griff der Herr ein. Kurz bevor er die Stadt Damaskus erreichte, umstrahlte ihn und seine Begleiter ein Licht, das heller war als die Sonne. Das warf ihn zu Boden. Zudem hörte er eine Stimme, die von einer Autorität im Himmel kam. Es war der Jesus, dessen Nachfolger er bis dahin verfolgte! Paulus beugte sich, machte rechtsumkehrt und glaubte an den Herrn Jesus.

Bei seiner Bekehrung wurden ihm wichtige Wahrheiten klar:

  1. Der von den Juden gekreuzigte Jesus von Nazareth lebt als auferstandener und verherrlichter Herr im Himmel.
  2. Alle gläubigen Christen bilden eine Einheit mit ihrem Herrn und Heiland im Himmel.

Dann bekam er vom verherrlichten Herrn, der jetzt auch sein Heiland und Herr war, einen Auftrag. Als ein Denkmal der Gnade Gottes durfte der frühere Christenverfolger allen Menschen das wunderbare Evangelium der Gnade verkündigen. Hier hörten es die Vornehmen und Hochgestellten der menschlichen Gesellschaft. Auch für sie gab es nur einen Weg zur Errettung: Sie mussten Buße tun und sich zu Gott bekehren.

Die Verse 22 und 23 zeigen einerseits, wie Gott über seinen Diener gewacht und ihn bis zu diesem Moment am Leben erhalten hatte. Sie machen anderseits aber auch deutlich, dass der Inhalt seiner Botschaft eine Person war: Jesus Christus, der am Kreuz von Golgatha gelitten hat und gestorben ist, der aber aus den Toten auferstanden ist und jetzt im Himmel lebt.

Bibeltext anzeigen

Vor eine Entscheidung gestellt

Während Paulus versuchte, seinen Zuhörern das Evangelium der Gnade nahezubringen und ihnen die Notwendigkeit der Buße und der Bekehrung vorstellte, unterbrach ihn der Statthalter. Was Festus da zu hören bekam, war für ihn derart unrealistisch, dass er meinte, Paulus sei von Sinnen. Doch der Diener des Herrn redete Worte der Wahrheit und der Besonnenheit. Was es auf der Seite der Zuhörer brauchte, war der einfache Glaube an das, was Gott durch Paulus verkündigen liess.

Dann wandte sich der Angeklagte direkt an König Agrippa. Wahrscheinlich merkte Paulus, dass dieser nahe daran war, die Botschaft im Glauben anzunehmen. Wie sehr wünschte er, dass der König den Schritt tun und Christ werden würde! Es fehlte bei Agrippa nicht mehr viel. «In kurzem überredest du mich, ein Christ zu werden.» Es war das Gebet des Apostels zu Gott, dass alle, die ihn hörten, auch so glückliche Christen würden wie er, natürlich ohne die Fesseln.

Doch in diesem entscheidenden Augenblick standen der König, der Statthalter und Bernice mit den übrigen Zuhörern auf. Der Feind der Seelen hatte gesiegt. Es war ihm einmal mehr gelungen, die Menschen davon abzuhalten, sich wirklich zu bekehren.

In der nachfolgenden Unterredung waren sich alle einig: Paulus hatte vor dem römischen Gesetz keine Schuld, die «des Todes oder der Fesseln wert gewesen wäre». Er hätte freigelassen werden können, wenn er sich nicht auf den Kaiser berufen hätte.

Bibeltext anzeigen

Abfahrt von Cäsarea

Nun beginnt der Bericht über die Seereise, die der Apostel Paulus als Gefangener nach Rom machte. Die Wir-Form in der Berichterstattung deutet an, dass Lukas, der inspirierte Schreiber der Apostelgeschichte, die ganze Reise selbst miterlebt hat. Aristarchus, ein gläubiger Mann aus Thessalonich – wir sind ihm bereits in Apostelgeschichte 20,4 begegnet –, begleitete den Apostel ebenfalls. Welch eine Ermunterung für den gefangenen Diener des Herrn, dass ihm treue Brüder zur Seite standen!

Paulus war nicht der einzige Gefangene, der nach Rom gebracht wurde. Unter der Aufsicht und Bewachung durch den römischen Zenturio Julius und seiner Soldaten umfasste der Gefangenentransport neben Paulus eine ganze Anzahl weiterer Personen.

Der Herr schenkte seinem Diener, dass der Hauptmann ihn wohlwollend behandelte. Paulus durfte in Sidon sogar die Gläubigen besuchen und ihre Fürsorge in Anspruch nehmen.

Ab Vers 7 haben wir die Beschreibung der Weiterfahrt auf dem alexandrinischen Schiff Richtung Italien. Es zeigte sich bereits, dass diese Reise nicht problemlos verlaufen würde. Sie kamen nur mit Mühe vorwärts und erreichten schliesslich auf der Insel Kreta einen Ort mit Namen Schönhafen. Dieser lag in der Nähe der Stadt Lasäa.

Aus der Zeitangabe in Vers 9 («die Zeit des Fastens war bereits vorüber») kann man schliessen, dass es bereits Spätherbst war.

Die Reise des gefangenen Apostels nach Rom

Die Reise des gefangenen Apostels nach Rom

Bibeltext anzeigen

Eine unsichere Fahrt und ein Sturm

Zu jener Zeit, als die Transporte auf dem Meer mit Segelschiffen geschahen, wurde die Seefahrt während der Winterzeit eingestellt. Die Stürme bildeten eine zu grosse Gefahr für jene Schiffe.

Obwohl Paulus im Dienst seines Herrn und Heilands ein Herold und Apostel und ein Lehrer der Nationen war, hatte er sich auf seinen vielen Reisen eine gute Kenntnis der damaligen Seefahrt angeeignet. Als einer, der etwas davon verstand, warnte er den Hauptmann, den Steuermann und den Schiffsherrn vor einer Weiterfahrt. Doch der Hafen schien den Verantwortlichen zu ungeeignet für die Überwinterung zu sein. So entschied sich die Mehrheit zur Weiterfahrt nach Phönix, einem besser gelegenen Hafen von Kreta. Dort wollte man überwintern.

Als die Umstände günstig waren, verliessen sie Schönhafen und fuhren dicht an Kreta hin. Doch das Wetter und vor allem der Wind änderte sich. Sie kamen in einen schrecklichen Sturm. Trotz allen seemännischen Hilfsmitteln und Vorkehrungen schwand schliesslich jede Hoffnung, lebend durch den Sturm zu kommen.

Was können wir aus dieser Geschichte für uns lernen? Wer sich durch äussere, günstig scheinende Umstände leiten lässt und die Warnungen von Christen mit Lebenserfahrung in den Wind schlägt oder die Grundsätze der Bibel nicht beachtet, muss sich nicht wundern, wenn er in Lebensstürme gerät. In Sprüche 12,15 heisst es: «Der Weise hört auf Rat.»

Bibeltext anzeigen

Paulus übernimmt die Führung

Die ausführliche Beschreibung der Irrfahrt im tobenden Sturm lässt uns ahnen, wie tief die Moral der Schiffspassagiere gesunken war. Niemand hatte mehr Lust, etwas zu essen. Die Angst vor dem Untergang schien zu gross gewesen zu sein.

In dieser Situation stand Paulus auf und übernahm die Initiative. Das war weder ein eigenwilliger Schritt noch das Streben nach einer Führungsrolle. In der Nacht hatte ein Engel des Gottes, mit dem er in wiederhergestellter Gemeinschaft lebte, ihm eine ermunternde Botschaft überbracht. Er sollte nicht untergehen, sondern nach Rom kommen und vor dem Kaiser erscheinen. Mit ihm sollten auch alle Mitreisenden gerettet werden. Doch sie würden nichts als ihr nacktes Leben retten können.

Durch seine Weisheit und sein Gottvertrauen hatte der Gefangene Paulus auf einmal das Sagen auf dem Schiff. Seinen früheren Rat hatte man zwar nicht befolgt. Doch es war so gekommen, wie er es vorausgesagt hatte. Jetzt aber sollten sie seine Anordnungen befolgen, dann würden sie mit dem Leben davonkommen.

In der vierzehnten Nacht merkten die Matrosen tatsächlich, dass sie auf ein Land zutrieben. Als sie feige zu fliehen versuchten, nachdem sie das Schiff vorläufig verankert hatten, griff Paulus ein. Er sagte seinem Hauptmann: «Wenn diese nicht im Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden.» Dann vereitelten die Soldaten die Flucht der Matrosen.

Bibeltext anzeigen

Rettung aus Seenot

Als es hell wurde, ermunterte Paulus alle auf dem Schiff, etwas zu essen, um bei Kräften zu bleiben. Er selbst ging mit dem guten Beispiel voran, indem er vor allen Gott für die Nahrung dankte und dann zu essen begann. – Wir wollen uns durch den Apostel ermuntern lassen, vor jeder Mahlzeit Gott für das Essen zu danken, wo immer wir in der Öffentlichkeit essen. Das Dankgebet vor dem Essen gehört zu unserem Zeugnis als Christen in dieser Welt.

Nun begannen die Reisenden Mut zu schöpfen. Noch einmal erleichterten sie das Schiff (vergleiche Verse 18-19) und liessen es dann auf eine Meeresbucht hintreiben, bis es strandete. Der Sturm hatte noch nicht nachgelassen, so dass der nicht festsitzende hintere Teil des Schiffes völlig zerstört wurde.

Wie egoistisch und grausam ist doch der Mensch! Zuerst wollten die Matrosen mit dem Beiboot fliehen und die anderen ihrem Schicksal überlassen. Nun überlegten die Soldaten, die Gefangenen zu töten, damit sie nicht fliehen konnten. Doch der Zenturio befahl anders. Jeder sollte sich auf eigene Faust – entweder schwimmend oder auf einem Holzstück des Schiffes – ans Land retten. Keiner der 276 Passagiere ertrank.

Das Wort von Gott ging in Erfüllung. Die Weisheit der Menschen war gescheitert. Aber die Rettung war eine höchst persönliche für jeden, ob Steuermann, Matrose, Passagier, Offizier, Soldat oder Gefangener. So ist es auch mit der Errettung der Seele. Jeder muss sie persönlich im Glauben in Anspruch nehmen.

Bibeltext anzeigen

Auf der Insel Melite

Die Insel, auf die die Schiffbrüchigen gerettet wurden, hiess Melite. Sie war bewohnt. Die Eingeborenen verhielten sich den frierenden Menschen gegenüber ausnehmend freundlich. Sie zündeten ein Feuer an und nahmen alle zu sich.

Paulus, der kurz vorher das Kommando auf dem Schiff übernommen hatte, war sich nicht zu schade, jetzt beim Holzsammeln mitzuhelfen. Da schoss aus einem zusammengerafften Bündel Reiser eine Schlange heraus und biss ihn in die Hand.

Die heidnischen Eingeborenen schlossen daraus, dass Paulus ein Mörder sein müsse, den Dike, die Göttin des Rechts und der Vergeltung, nicht am Leben lassen wollte, obwohl er aus dem Meer gerettet worden war. Er aber durfte die Wahrheit des Wortes des Herrn aus Markus 16,18 erfahren: «Sie werden Schlangen aufnehmen.» Es passierte ihm nichts Schlimmes. Nun änderten die Inselbewohner ihre Meinung und sagten, er sei ein Gott.

Der Herr aber benutzte dieses Wunder, um den Menschen zu zeigen, dass Paulus sein Diener war und Er ihn bewahrt, aber auch mit Kraft von oben ausgerüstet hatte.

Die Schlange erinnert an Satan, den Feind Gottes. Er hätte den Apostel am liebsten ausgeschaltet und das Werk des Herrn verhindert. Doch Gott liess es nicht zu. Dass die Schlange ins Feuer geschüttelt wurde, weist auf die Endbestimmung des Teufels, auf den Feuersee hin (Offenbarung 20,10).

Die heidnischen Bewohner der Insel durften den Segen Gottes erfahren. Zuerst heilte Paulus den kranken Vater des höchsten Mannes der Insel. Welch eine Belohnung für die Güte, die Publius den Schiffbrüchigen erwies! Dann brachten die Bewohner der Insel die übrigen Kranken zu Paulus und auch diese wurden geheilt. Wir lesen nichts davon, dass Paulus den Menschen das Evangelium verkündigt hätte. Vielleicht bildete die Eingeborenen-Sprache ein zu grosses Hindernis dafür. Trotzdem zeigten die Eingeborenen bei der Abreise eine grosse Dankbarkeit. Die Schiffbrüchigen, die alles verloren hatten, wurden für die Weiterreise mit allem Nötigen versorgt. So kümmerte sich der Herr um die Seinen.

Bibeltext anzeigen

Weiterreise nach Rom

Die Weiterfahrt nach Puteoli verlief ohne weitere Schwierigkeiten. Dort angekommen trafen Paulus und seine beiden Begleiter gläubige Christen, bei denen sie sieben Tage bleiben durften.

Von Puteoli ging es zu Fuss nach Rom weiter. Doch die Nachricht vom Kommen des Apostels war bereits in die Hauptstadt gelangt. Einige Brüder machten sich auf den Weg, um ihm entgegenzugehen, auch wenn er als ein Gefangener kam (vergleiche 2. Timotheus 1,16.17). Welch eine Freude für Paulus, als er sie traf! Sein Herz war voll Dank zu Gott und er fasste Mut, um bis nach Rom zu gehen, wo er nicht wusste, was ihm alles begegnen würde. Da unterdessen die meisten seiner Bewacher wussten, dass Paulus kein Verbrecher war, wurden ihm in Rom einige Annehmlichkeiten gewährt.

Obwohl Paulus gerade wegen den Juden ein Gefangener der Römer war, schlug sein Herz immer noch für seine Landsleute. Auch in Rom wollte er ihnen den Herrn Jesus als Messias verkündigen und ihnen die herrliche Botschaft der Errettung aus Gnade vorstellen. Zu diesem Zweck rief er die dortigen jüdischen Führer zu sich.

Er erklärte ihnen, warum er sich auf den Kaiser berufen hatte und nun in Rom angekommen war. Aber vor allem wollte er zu ihnen über die Hoffnung Israels reden. Er hätte ihnen gern Christus, den wahren Messias vorgestellt, der zwar abgelehnt und gekreuzigt worden war. Doch Er war auch für sie gestorben. Er wollte auch ihr Retter sein.

Die Juden in Rom waren im Blick auf den Apostel Paulus nicht vorbelastet. Sie waren bereit, auf das zu hören, was er ihnen sagen wollte. Vor allem interessierte sie seine Meinung über die Christen. Als Juden betrachteten sie diese neue Strömung als Sekte innerhalb des Judentums.

Je mehr die Botschaft vom Kreuz verbreitet wurde, umso bekannter wurde die Sache. Doch die Meinungen darüber gingen auseinander – nicht nur unter den Juden, auch unter den Nationen. Es regte sich Widerstand, denn das Evangelium von Jesus Christus fordert die Menschen, die es hören, zu einer Glaubensentscheidung auf. Dazu ist nicht jeder bereit. Echtes Christentum war nie volkstümlich und wird es nie sein. Es schneidet zu tief in den Kern unserer menschlichen Natur ein.

Bibeltext anzeigen

Ein Gespräch mit den Juden

Ein paar Tage später fand das geplante Gespräch statt. Anhand des Alten Testaments versuchte Paulus den Juden die göttliche Wahrheit vorzustellen. Er stellte ihnen Jesus als den Christus vor, auf den sich alle alttestamentlichen Voraussagen über den Messias bezogen und durch den sie sich erfüllt hatten. Wenn er ihnen das Reich Gottes bezeugte, zeigte er ihnen sicher, dass es jetzt, nachdem der rechtmässige König gekreuzigt worden war, einen verborgenen Charakter angenommen hatte. Die Zeit, da das Reich in Macht und Herrlichkeit aufgerichtet wird, ist noch zukünftig.

Leider zeigte sich bei den Zuhörern sehr viel Unglaube, so dass Paulus ein ernstes Wort aus dem Propheten Jesaja anführen musste. Der Herr Jesus hatte den Juden, die Ihn ablehnten, früher das Gleiche angekündigt (Matthäus 13,14.15). Bis heute lastet es auf dem jüdischen Volk, auch wenn es immer einzelne Juden gibt, die das Evangelium annehmen und an den Herrn Jesus als ihren Retter glauben. Doch es sind jetzt die Nationen – alle Völker der Erde –, denen dieses wunderbare Heil im Herrn Jesus verkündigt wird. Unzählige Menschen verschiedenster Nationalität, Rasse und Herkunft nehmen es im Glauben an.

Die Apostelgeschichte endet abrupt. Wir hören nichts von einem Gerichtsprozess. Auch über den Tod des Apostels schweigt Gottes Wort. Das Buch hört mit der Beschreibung auf, wie der Apostel Paulus als Gefangener seinen Besuchern das Wort verkündigte. Das Letzte ist also die Botschaft, die damals gepredigt wurde, und die bis heute verkündigt wird.

Bibeltext anzeigen