Betrachte den Herrn Jesus!
Nichts macht uns bescheidener und demütiger, als wenn wir unseren Blick auf Christus richten. Trotz unseres Wunsches, Gott zu dienen und Ihn dadurch zu ehren, besteht die Gefahr, dass wir selbst eine gewisse Rolle spielen möchten. Das ist aber nichts anderes als Hochmut. Blicke ich jedoch auf den Herrn Jesus, dann finde ich eine Vollkommenheit, die mich demütig macht. Ich sehe auch eine Gnade, die mich aufrichtet. In Ihm finde ich nur Demut und Geduld, so dass ich mich schämen muss. Aber ich erkenne bei Ihm auch die Gnade, die mir erneut Mut zuspricht.
Wenn ich auf mich selbst blicke, bin ich beschwert und bedrückt. Dann gibt es nichts, was diese Betrübnis aus meinem Herzen vertreiben könnte. Ich bleibe in einer Atmosphäre, die von der Sünde belastet ist. Ich finde keine Kraft, die Situation zu ändern. Schauen wir aber auf den Herrn, dann geht der Blick über das Böse hinaus. Wir spüren seine Liebe und bemerken, dass wir mit Ihm verbunden sind. Wenn die Wahrheit durch Jesus Christus gekommen ist, ist auch die Gnade durch Ihn gekommen. Die Wahrheit verurteilt und demütigt uns. Die Gnade hingegen ermutigt uns und richtet uns wieder auf.
Die Einsicht, dass ich hochmütige Gedanken habe und etwas sein möchte, entmutigt mich nur und hilft mir nicht gegen das Böse. Wenn ich jedoch auf den Herrn Jesus blicke, der sich zu nichts gemacht hat, schäme ich mich über mein Verlangen, etwas zu sein. Dann möchte ich sein wie Er, der sich selbst zu nichts machte. Auf diese Weise kommt die alte Natur in mir nicht zum Zug und die gestörte Gemeinschaft mit dem Herrn wird erneuert. Mein Herz befindet sich wieder im Strom des Guten. Es ist unmöglich, etwas sein zu wollen, wenn man sieht, wie Jesus Christus sich zu nichts gemacht hat.
Betrachten wir, wie der Herr Jesus die Gesinnung offenbarte, die Ihn dahin führte, sich zu nichts zu machen! Schon vor seinem Kommen auf die Erde sagte Er: «Siehe, ich komme …, um deinen Willen, o Gott, zu tun» (Heb 10,7). Als Er hier lebte, bezeugte Er: «Ich bin vom Himmel herabgekommen, nicht um meinen Willen zu tun, sondern den Willen dessen, der mich gesandt hat» (Joh 6,38). Er nahm den Platz ein, der Ihm im Plan Gottes zugewiesen war. Wenn der eigene Wille derart verschwindet, dann macht man sich zu nichts (oder man entleert sich). Der Herr Jesus ging auf diesem Weg bis zum Kreuz. Dort wurde Er von Gott zum Fluch gemacht, dessen Willen Er zu tun gekommen war.
Als Jakobus und Johannes den Herrn baten, in der Herrlichkeit zu seiner Rechten und zu seiner Linken sitzen zu dürfen, gab Er zur Antwort: «Ich habe nichts, was Ich euch geben könnte. Ich habe in dieser Sache keinen eigenen Willen.» Er tat den Willen des Vaters. Er gab seinen Jüngern nur das weiter, was sein Vater wollte (Mk 10,35-40).
Wer sich so zu nichts macht, wird als Folge davon die Abneigung der Welt erfahren. Der Herr Jesus beugte sich auch unter diese Verachtung.
Der Mensch kann sich in heldenhafter Weise allem unterordnen, was sein Wille ihm vorschreibt. Der Herr Jesus hat jedoch in allem auf seinen Willen verzichtet. Er wusste im Voraus, dass Ihn die Jünger verlassen würden, und stellte sich darunter. Der Vater war bei Ihm. Um Ihn zu verherrlichen, war Jesus Christus bereit, von Menschen verlassen zu werden. Aber dann machte Gott Ihn für uns zur Sünde. Das war das Schrecklichste, was der Herr Jesus erlebte. Er beugte sich auch darunter, weil Gott es für gut befunden hatte. Gott musste Ihn verlassen. Da war Jesus ganz allein, ohne irgendeine Hilfsquelle. In jenen Stunden gab es für Ihn überhaupt keine Stütze und keine Erleichterung. Es blieb nur noch die Kraft seiner Liebe. So sieht das christliche Leben grundsätzlich aus. Lasst uns die gleiche Gesinnung haben, die in Jesus Christus war! Dann werden wir die gleichen Ermunterungen erfahren wie Er. Aber nie werden wir in die Lage kommen, sagen zu müssen: «Mein Gott, warum hast du mich verlassen?»
Genügt es uns, das gleiche Teil zu haben wie unser Herr in seiner Selbstentäusserung? Das bedeutet für uns Selbstverleugnung. Hier liegt der Grund, warum Gott uns Erprobungen schickt. Es kann in uns eine dicke Schicht des Eigenwillens geben, die noch unberührt ist. Solange dieses Übel nicht vollständig erkannt wird, kann man sich nicht wirklich an Gott freuen. Wohl uns, wenn Er unser Herz erforscht und uns dahin bringt, uns selbst zu vergessen und nur an Ihn zu denken. Dann wünschen wir nicht mehr, selbst etwas zu sein. Um dahin zu kommen, ist es nötig, auf den Herrn Jesus zu schauen und die gleiche Gesinnung zu haben wie Er.
«Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit» (2. Kor 3,18).
Buchtipp: Am Wasser gepflanzt