Das Kreuz des Herrn Jesus
Wir wollen uns mit den beiden wesentlichen Seiten des Kreuzes Christi befassen.
Das Kreuz bringt mich zu Gott
Wenn ich als überführter Sünder meinen Blick auf das Kreuz des Herrn Jesus richte, so erkenne ich darin die ewige Grundlage meines Friedens. Ich sehe die «Sünde» ihrem Grundsatz nach und in ihrer Wurzel gerichtet. Ich sehe dort meine «Sünden» im göttlichen Gericht getragen. Ich sehe, dass Gott «für mich» ist, und zwar gerade in dem Zustand, in dem ich mich nach der Sprache meines überführten Gewissens befinde. Das Kreuz offenbart Gott als den Freund des Sünders. Es offenbart Ihn in dem wunderbaren Charakter eines gerechten Gottes, der den gottlosen Sünder rechtfertigt.
Am Kreuz sehe ich, wie Gott sich in einer Weise mit der Sünde beschäftigt, dass Er sich selbst unendlich verherrlicht. Ich sehe hier die majestätische Entfaltung und die vollkommene Harmonie aller göttlichen Eigenschaften. Ich sehe eine Liebe, die mein Herz überzeugt und gewinnt und es in dem Mass, wie ich diese Liebe verwirkliche, von jedem anderen Gegenstand abzieht. Ich sehe eine Weisheit, die den Teufel zum Schweigen bringt und die Engel in Erstaunen versetzt. Ich sehe eine Heiligkeit, die die Sünde abschafft und zugleich den stärksten Ausdruck des göttlichen Abscheus gegen sie zu erkennen gibt. Ich sehe eine Gnade, die den Sünder in die Gegenwart Gottes versetzt. Wo sonst könnte ich all dies erblicken als am Kreuz? Nirgends finden wir die beiden Wahrheiten «Herrlichkeit Gott in der Höhe!» und «Frieden auf der Erde!» so herrlich vereinigt wie am Kreuz (Lk 2,14).
Wie wertvoll ist es, das Kreuz von diesem ersten Gesichtspunkt aus zu betrachten: als Grundlage des Friedens für den Sünder, als Grundlage seiner Anbetung und seiner ewigen Gemeinschaft mit dem Gott, der sich dort so herrlich offenbart hat! Wie kostbar ist das Kreuz des Herrn Jesus für Gott, da es für Ihn eine gerechte Grundlage geschaffen hat, auf der Er seine Vollkommenheit entfalten und mit dem Sünder nach der ganzen Fülle seiner Gnade handeln kann!
Dieses Kreuz hat für Gott einen so hohen Wert, dass alles, was Er von Anfang an gesagt und getan hat, nur den Beweis liefert, dass das Kreuz immer den ersten Platz in seinem Herzen einnahm. Sein geliebter Sohn sollte dort hängen zwischen Himmel und Erde, um von Menschen zu leiden und beschimpft zu werden, weil es seine Freude war, den Willen seines Vaters zu tun und die Kinder seiner Gnade zu erlösen. In Ewigkeit wird das Kreuz als der vollkommene Ausdruck seiner Liebe den grossen Mittelpunkt bilden.
Das Kreuz trennt mich von der Welt
Auch als Grundlage der Jüngerschaft, des Dienstes und des Zeugnisses erfordert das Kreuz unsere ganze Aufmerksamkeit. Das gleiche Kreuz, das mich mit Gott in Verbindung bringt, trennt mich von der Welt. Ein Gestorbener kann mit der Welt nichts mehr zu tun haben, und daher ist der Gläubige, weil er mit Christus gestorben ist, fertig mit der Welt. Er ist der Welt und die Welt ist ihm gekreuzigt. Weil er mit Christus auferstanden ist, steht er in der Macht eines neuen Lebens und einer neuen Natur in einer vollkommenen Beziehung zu Gott. Der Gläubige, der durch das Kreuz untrennbar mit Christus verbunden ist, hat teil an seiner Annahme bei Gott und an seiner Verwerfung vonseiten der Welt.
Diese beiden Tatsachen gehen zusammen. Das Erste macht ihn zu einem Anbeter und Himmelsbürger, das Zweite zu einem Zeugen und Fremden auf der Erde. Das Erste führt ihn innerhalb des Vorhangs ein, das Zweite stellt ihn an den Platz ausserhalb des Lagers. Das eine ist so vollkommen wie das andere. Das Kreuz hat sich zwischen mich und meine Sünden gestellt und mir den Platz des Friedens mit Gott geschenkt. Genauso hat sich das Kreuz zwischen mich und die Welt gestellt und mir mit Christus den Platz der Verwerfung und der Feindschaft vonseiten der Welt angewiesen. Zugleich hat es aus mir einen demütigen und ausharrenden Zeugen von der kostbaren unergründlichen, ewigen Gnade gemacht, die das Kreuz vor unsere Augen stellt.
Der Gläubige sollte diese beiden Seiten des Kreuzes Christi erkennen und klar unterscheiden. Er sollte nicht versuchen, die Segnungen zu geniessen, während er die Pflicht versäumt. Wenn sein Ohr geöffnet worden ist, um die Stimme innerhalb des Vorhangs zu hören, so sollte es auch geöffnet sein, um diese Stimme ausserhalb des Lagers zu vernehmen. Wenn er die am Kreuz vollbrachte Versöhnung angenommen hat, sollte er nicht vor der Verwerfung zurückschrecken, die sie notwendigerweise mit sich bringt. Ist es doch unser Vorrecht, nicht nur mit der Sünde, sondern auch mit der Welt abgeschlossen zu haben. Das alles ist in der Lehre vom Kreuz eingeschlossen.
Darum konnte der Apostel sagen: «Von mir aber sei es fern, mich zu rühmen, als nur des Kreuzes unseres Herrn Jesus Christus, durch den mir die Welt gekreuzigt ist, und ich der Welt» (Gal 6,14). Paulus betrachtete die Welt als eine Sache, die nur wert ist, ans Kreuz genagelt zu werden. Und die Welt hat, indem sie Christus kreuzigte, all jene gekreuzigt, die sein Eigentum geworden sind. Lasst uns diese Wahrheit mit tiefem Ernst und unter Gebet betrachten. Möge der Heilige Geist uns die Kraft schenken, die praktische Bedeutung beider Seiten des Kreuzes zu verwirklichen.